26. März 2018

Leidenschaftlicher "Lokalfürst" von echtem Schrot und Korn

Der von Karl-Anton Maucher moderierte 194. Talk im erfreulich gut besuchten, aber nicht voll besetzten Bocksaal erbrachte 671, 30 Euro Saalspende. Ivo Gönner, der ehemalige Ulmer Oberbürgermeister, gönnt das Geld der Bürger- stiftung Leutkirch. Seine Begründung: "Ich bin schon immer ein großer Anhän- ger von Bürgerstiftungen".

Er outete sich, wie es sich für einen gestandenen OB gehört, auch als Fan des SSV Ulm 1846, der vor fast schon 20 Jahren einmal für eine Saison im Oberhaus des deutschen Fußballs mitkicken durfte. Den damaligen Aufstieg in die Bundesliga betrachtet er allerdings als ein Versehen. Im letzten Spiel der 2. Liga kamen die Spatzen nicht über ein torloses Unentschie- den hinaus. Trotzdem fand man sich in der Bundesliga wieder, weil ein Mitkonkurrent um den Aufstieg auf den letzten Drücker jämmerlich versagt hatte. Kommunale finanzielle Unterstützung kam für den OB nicht in Frage, weil es eine Profi-Mannschaft war. Und Ulm hatte auch noch in anderen Sportarten Teams in der Bundesliga.

Sein Vater kam aus dem Krieg zurück - und sagte kein einziges Wort - darüber, wie es dort halt so war. Als die Nachkriegsparteien in Deutschland das Sagen bekamen, sagte Vater: "Von nun an geht's bergab. Denn jetzt haben die Parteien das Sagen und nicht mehr der gesunde Menschen- verstand".

Seine schulische Ausbildung "genoss" Jüngling Ivo in einer strengen männlichen Internatsschule, in der es aber doch Freigang im Innenhof gab. Sein gestrenger Lehrer prophezeite den Schütz- lingen von Anfang an: Zehn von euch führe ich zum Abitur, aus fünf davon mache ich große Persönlichkeiten. Am Schluss griff ein Fragesteller diese Aussage auf: "Gehören Sie zu diesen fünf?" Gönner: "Ich hoffe".

Sein Jura-Studium betrieb er an der alt-ehrwürdigen Universität zu Heidelberg am Neckar, wo von 1973 bis 1985 der Kommunistische Bund Westdeutschland beheimatet war und sein Unwesen trieb. Jeden Tag überlegten die dunkelroten Genossen: Und was treiben wir heute Abend? Gönners Vorschlag: Ins Theater stürmen und "Was soll der bürgerliche Scheiß?" skandieren. Was sie tatsächlich auch taten. "Willy Brand an die Wand" bekam er auf dem Schild eines Demonstranten zu lesen, der den damaligen SPD-Kanzler wegen seiner Ostpolitik als Vaterlandsverräter verachtete. Wir schießen zurück, war Gönners Überlegung und trat als Mitglied in die SPD ein.

Nach einem ersten erfolglosen Versuch wurde er 1991 als "Roter" im "schwarzen" Ulm erstmals als Oberbürgermeister ins Rathaus gewählt. Die politische Farbe spiele auf kommunalpolitischer Ebene keine wirkliche Rolle. Entscheidend seien vielmehr die Merkmale einer Persönlichkeit. Die seinigen waren in Ulm und um Ulm, natürlich auch, wie Ergebnisse von 72 und 80 Prozent beweisen, um Ulm herum beliebt und geschätzt. 1999 und 2007 wiedergewählt, hielt er 2016 zum vierundzwanzigsten Mal letztmals am Ulmer Nationalfeiertag, dem identitätsstiftenden Schwörmontag, die Schwörrede mit der auf das spätmittelalterliche Jahr 1345 zurückgehenden Schwörformel. Mit ihr verspricht er "allen Ulmern, Reichen und Armen, ein gemeiner Mann zu sein".

Dass er gemäß dem Geist der Formel auch lebte, bewies er gegenüber Müllmännern, die jemand als "letzten Dreck" beschimpfte. Ein ganz Schlauer meinte, dass es "City-Cleaner" heißen müsse. Damit platzte Ivo Gönner der Kragen: "Das sind die Männer der Stadtreinigung und basta!"

Am 23. April kommt Marcus da Gloria Martins, der Polizeisprecher von München, in den Bocksaal. Jasmin Off moderiert die Veranstaltung.