09. Oktober 2018

Spätpubertärer Skater-Papst und beruflich jugendlicher Szene-Vater

Nachmittags auf dem Leutkircher Skateplatz fanden sich mehr meist jugend- liche Verehrer des legendären Titus Dittmann ein, um ihr großes Idol einmal ganz hautnah zu erleben, als am Abend im nur mäßig besuchten Cubus des HMG beim 198. Talk im Bock, den Karl-Anton Maucher moderierte. Titus, der 1948 eigentlich als Eberhard Dittmann das Licht der Welt erblickte, bekam als Vierjähriger auf Drängen seines Bruders nachträglich den Namen Titus verpasst, weil der fand, dass der jüngere Bruder aussehe wie der römische Kaiser Titus (39 - 81 n. Chr.).

Der einleitende Kurzfilm zeigte, dass Dittmann nicht nur der angekündigte Pädagoge, Unter- nehmer und Anstifter ist. Vielmehr zeigten alte Fernsehbilder aus der 70er Jahren, dass er auch Kult ist und Leidenschaft. Sie habe ihn weltberühmt gemacht. Die von ihm kreierte neue Zeit- erscheinung des Skateboardings prägte das neue Bild der Städte. Allerdings auch so, dass viele Fußgänger in Verunsicherung stürzten. Heute auf vier Kontinenten allgegenwärtig präsent, ist der jetzt fast 70-jährige Altmeister nach wie vor noch immer ein Jungbrunnen.

Heute erst aus Uganda zurück, aus "einem der härtesten Slums in Ost-Afrika", lautet sein Credo: "Wir wollen Kinder stark machen". Starke Kinder, so seine felsenfeste Überzeugung, gestalten ihr eigenes Leben anders als nach traditionellem elterlichen Vorbild. Nur so verändert sich etwas, geht die Entwicklung vorwärts. Lernen gehe auch viel schneller, wenn es selbst bestimmt von innen kommt. Würden mehr solche Projekte gemacht wie unsere, die nur "Tropfen auf den heißen Stein" seien, würden sich mehr junge Leute persönlich etwas aufbauen, was eine Perspektive verspricht. Dadurch würden weniger "damit liebäugeln", als Migranten "zu uns zu kommen". Vor solchem Hintergrund unterstützt der Gast mit der Saalspende von 486 Euro sein ugandisches Projekt.

Dabei verlief das Leben des Wahl-Münsteraners in jungen Jahren in ganz normalen gut bürgerlichen Bahnen. Er studierte die Fächer Geographie und Sport auf Lehramt und danach versah er als Studienrat vier Jahre lang seinen schullaufbahnigen Dienst in dem für ihn zu engen Korsett beamtenrechtlicher Reglementierungen. Die behagten ihm ganz und gar nicht, was die immer wieder wohl dosierten Nadelstiche und - auch fäkalsprachlichen - Seitenhiebe gegen Beamtenschaften klar und deutlich bewiesen. Zur Gaudi des Publikums stellte er dazu, dass er 1978 ohne zu fragen, das Skateboard in der Schule einführte, fest:"Ich hatte kein Problem mit der Schule, aber sie mit mir". Gleich sei damals eine Gruppe von Heros dabei gewesen, für die er der große Hero war. 50 Prozent seiner Schulstunden, erinnerte sich der Gast, habe er mit Skateboardfahren zugebracht, sehr zur Freude seiner Schüler. Bald aber spürte er: Ein normales bürgerliches Gehalt ist oft wie Schmerzensgeld, somit auf Dauer nicht sein Ding. So entschloss er sich, mit seinem kleinen Sohn auf dem Arm, die Penne zu schmeißen. Natürlich stieß er auf Unverständnis.

Als Unternehmer brauchte er volle 10 Jahre, um wirklich voll zu verinnerlichen, dass er Unternehmer ist. Als solcher erntete er auch harsche Kritik. Immer wieder wurden Stimmen laut, die ihm vorwarfen, sich durch die Abzocke Jugendlicher zu bereichern. Darunter habe er sehr gelitten. Seine unternehmerischen Zeiten schlossen auch harte Zeiten ein. Zweimal stand er vor der Firmenpleite. Immer redseliger in Fahrt kommend, nahm er sich kein Blatt vor den Mund: "Scheiß egal, ob man pleite ist oder nicht. Hauptsache, man kann sich vor dem Spiegel in die eigenen Augen sehen".

Auf die eigene Jugend rückblickend, diese ehrliche Feststellung: "Wir waren auch einmal solche pubertierenden Rotzlöffel". Es geht ihm um die Entwicklung einer bestimmten Jugendkultur, die er wiederholt "ästhetische Gesinnungsgenossenschaft" nannte. Wichtig sei dabei selbst bestimmtes Tun und Lassen, an eigene Grenzen zu gehen, ohne elterliche Obhut. "Das ist es, was so richtig guttut". Mit Rückblick auf sein Abitur-Jahr 1968: "Da geht der Zeitgeist nicht an einem vorbei".

Wie Moderator Maucher vorausblickte, soll es dieses Jahr noch eine Veranstaltung geben, die Andreas Müller zu seinem Abschied moderieren wird. Zur Zeit ist er noch auf der Suche nach einem spannenden Gast.