29. Januar 2018

Sprintstar der DDR einst und jetzt Kämpferin an der Dopingfront

725,60 Euro ergaben die Spenden im zahlreich gut besuchten Bocksaal beim 192. Talk des Moderators Andreas Müller mit der aus Berlin angereisten früheren DDR-Vorzeige- und Vorbildathletin Ines GeipeL Als seine Vorsitzende widmet sie das Geld dem Verein „Doping-Opfer-Hilfe“, in dem sie den vielen Opfern des DDR-Staatsdopings eine Stimme zu geben versucht. Frau Geipel ist selbst eines der 200 anerkannten Doping-Opfer, deren Dunkelziffer mit Sicherheit höher, viel höher liegt. Sie sprach von „extrem Herz erbarmenden Fällen, denen sich der Verein annimmt und verwies dabei vor allem auf die vielen ehemaligen Sportler, die noch heute stark traumatisiert sind und an schweren Depressionen leiden. Als Autorin erwähnte sie ihr Buch mit dem alles sagenden Titel „Seelenriss“, in dem sie sich mit dem Schicksal solcher Menschen befasst.
Im einleitenden Kurzfilm waren Bilder aus den Spitzenzeiten der Sportkarriere der Weltklassesprinterin zu sehen. Zum Beispiel jener Lauf, in dem sie als Startläuferin der 4 x 100m-Staffel für Vereinsstaffeln zusammen mit solchen Größen wie Ingrid Auerswald oder Marlies Göhr einen Weltrekord lief, der heute noch Bestand hat: 42,20 Sekunden! Da sie ihn später zurückgab, weil er durch das Staatsdoping, das auch ihr aufgezwungen worden war, auf kriminelle Weise erschwindelt war, erscheint in den Listen eine bizarr anmutende 3 x 100 Meter-Staffel mit drei Namen und einem Sternchen für sie als Vierte im Quartett des Sportclubs Motor Jena.
Die Erfolgs- und Jubelbilder des Kurzfilms nannte sie schlicht und einfach „Fakes“. Immer und immer wieder demonstrieren sie das Gleiche: dass der Sozialismus siegen wird, ja siegen muss angesichts seiner überlegenen Stärke, die der Spitzensport demonstrativ zur Schau zu stellen hat. - Kehrseite dieser Medaille mit Glanz und Gloria auf der Vorderseite sind die Erzählungen der Doping-Opfer. „Was die Opfer erzählen“, so Geipel wörtlich, „sind dickste Schäden, die man sich kaum vorstellen kann: kaputte Gelenke, steife Knie, geschädigte Organe, Bulimie“. Auch gebe es lange, lange Todeslisten von Menschen, die ganz langsam gestorben seien, vereinsamt und allein. Viele Talente seien schon als Kinder und Jugendliche hineingepresst worden in das vom Staat verordnete Dopingsystem. Wegen der Jahre andauernden ständigen Chemiezufuhr sei es ihnen gar nicht möglich gewesen, „richtig ins Leben hineinzukommen“. Eine umfassende Tabletten-Kultur sei das Leben im DDR-Sport gewesen. Wegen der Zufuhr männlicher Sexualhormone habe das Doping „vermännlichend“ gewirkt.
Rund vier Monate vor dem Mauerfall am 9. November 1989 gelang es der heute an einer Berliner Hochschule für Schauspielkunst als Professorin dozierenden Schriftstellerin, den besseren, weil fortschrittlicheren Teil Deutschlands über Ungarn zu verlassen, um in den verhassten kapitalistischen Teil Deutschlands nach Darmstadt in den Westen „rüberzumachen“. Bekannten, die über sie klagten, dass sie doch die vier Monate noch hätte warten können, widersprach sie. Es sei ganz toll gewesen, sich jetzt ganz auf sich selbst besinnen zu können. Auch ihr Studium der Germanistik brachte ihr echte Lebensqualität. Sich auf Goethe oder Musil besinnen zu können, seien ganz andere Welten gewesen als die „in diesem Hamsterrad namens DDR“.
Zu ihren Äußerungen über Dr. Thomas Bachs „dreckigen Deal mit Putin“ steht Geipel voll und ganz. Obwohl sie sich gut kennen würden, habe Bach mit keinem einzigen Wort reagiert. Mit Blick auf die Winterspiele in Südkorea zeigt sie sich sicher, dass es in Sachen Doping wie immer laufen wird: Augen zu, nichts sehen, nichts hören, nichts riechen. Namentlich verwies sie dabei in unrühmlicher Weise auch auf Alfons Hörmann, den in Sulzberg bei Kempten lebenden Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds.
Am 19. Februar kommt Stefan Reuter, Geschäftsführer Sport des Bundesligisten FC Augsburg. Titel der von Andreas Müller moderierten Veranstaltung: Tempomacher!