12. Dezember 2017

"Zu Hause stehst du auf dem sicheren Boden der Zuneigung"

"Nehmen Sie noch Glückwünsche zum 65. Geburtstag an?" fragt Moderator Andreas Müller seinen prominenten Gast zu Beginn des 191. Talks in der mit 150 Besuchern halbvollen Aula der Otl-Aicher-Realschule. "Natürlich! Sie können alle aufstehen und zu singen anfangen", antwortet der sehr bekannte und beliebte deutsche Schauspieler Walter Sittler. Die TiB-Jazzband "Just Friends" weiß auch ohne Knopfdruck, was zu tun ist, und besorgt das auf ihre Weise, "Happy birthday to you" instrumentalmusikalisch zum Besten gebend.

Der Jubilar, der keinen einzigen Ton zum Thema Ruhestand pfiff, stellte einen Vergleich mit der Tennisikone Boris Becker an. Das "Bobele" "hat sich selbst attestiert, im Leben mehr richtig als falsch gemacht zu haben. - Ich nicht". Warum? "Weil die einen so, die anderen so sagen".

Der seit vielen Jahren mit seiner Ehefrau, der aus Furtwangen stammenden Doku-Filmerin Sigrid Klausmann, in Stuttgart lebende Sohn eines amerikanischen Sprachprofessors und einer deutschen Lehrerin blickte auf seine Kindheit zurück. 1959 sei er siebenjährig nach Deutschland, nach Oberbayern, nach Berchtesgaden gekommen. Das erste gelernte bayerische Wort war "du Depp". Sein Englisch, so behauptete er, sei schnell verloren gegangen:"Nach drei Monaten konnte ich kaum mehr Englisch". Während der Anfänge seiner Schauspielzeit am Mannheimer Nationaltheater, erinnerte sich der "Halb-Amerikaner", war Fernsehen noch kein Thema. Es wurde auch nicht darüber gesprochen. Er selbst hätte nicht einmal einen Fernseher gehabt, denn "wir hatten ja Theater". Und fügte hinzu: "Ich bin ja im Theater groß geworden. Das ist meine berufliche Heimat".

Ein wahrer Glücksfall für ihn sei die Kölner Schauspielerin Marie-Luise Millowitsch gewesen. Was er an "Mariele" so sehr schätzte, war, dass sie "immer partnerschaftlich" agiert hat. Als sie den Walter im Fernsehen gesehen hatte, soll sie zu seinem Vorteil an einem Theater gedroht haben: "Wenn ihr den nicht nehmt, dann gehe ich".

Politisch outete sich Sittler als überzeugter Gewerkschafter. Er ist davon überzeugt, dass man in einer normalen modernen Gesellschaft die Gewerkschaften einfach braucht. Sie seien es, die auf die Schaffung guter Arbeitsbedingungen pochten. Gäbe es die nicht, dann "lohnte die Arbeit nicht mehr". Ständiges Optimieren zur Maximierung der Profite hält er für gefährlich. Die Leute kämen "kaputt" nach Hause. Das sei dann doch kein Leben mehr.

Als prominenter Vertreter des Bürgerprotests gegen das "Milliardengrab" genannte Bahnprojekt "Stuttgart 21" ist auch seine Haltung dazu heute zur Glaubensfrage geworden. Die noch immer stattfindenden öffentlichen Auseinandersetzungen seien von wenig Sachlichkeit geprägt. Trotz des latenten Verkehrschaos' in der Neckar-Metropole werde immer noch mit Argumenten gearbeitet, die einfach nicht stimmten. Als Beispiel führte er die Behauptung an, dass ein Ausstieg sieben Milliarden Euro kosten würde. Das drucke dann die Süddeutsche. Focus, Spiegel und ZEIT würden folgen, denn "da sind die alle gleich". Von Lügenpresse sprach er nicht.

Mit Blick auf das bevorstehende Weihnachtsfest verriet der Vater zweier Töchter und eines Sohnes, die es längst weit hinaus in die Welt verschlagen hat, ohne dass sie bis heute eigene "familiäre Konstrukte" errichtet hätten, dass Weihnachten die ganze Familie zu Hause in Stuttgart feiere. Das Fest der Liebe findet, wie alle Jahre wieder, nach traditionellen Mustern in familiärem Kreis statt. Der Christbaum werde gemeinsam gekauft. Gemeinsam werde er auch geschmückt usw. Halt ganz so, wie es immer war, so soll es bleiben.

Zusammen mit der Saalspende ergab die TiB-Weihnachtsaktion eine Gesamtsumme von 6.947 Euro. Das bedeutet, dass die seit 2001 bis heute gewachsene Gesamtspendensumme des Talks im Bock erstmals die Grenze von 600.000 Euro geknackt hat. Eine Hälfte der aktuellen Spenden- summe geht an die Stuttgarter Organisation "Frauen helfen Frauen". Die andere Hälfte geht an die Organisation "trott-war", die sich dem Schicksal Obdachloser annimmt. Sie sollen in die Lage versetzt werden, selbst Geld zu verdienen, dadurch gesellschaftliche Anerkennung  finden. Anerkennung, so versicherte der sympathische Gast mit Nachdruck, sei im Leben ganz, ganz wichtig.