04. Juli 2017

Bekanntes Gesicht, erfolgreicher Schauspieler, Ehemann und Familienvater und, und, und...

TiB 186, der zweite Talk im Bock binnen acht Tagen, lockte über 90 Besucher in den recht gut besuchten Bocksaal. Schon der einleitende Kurzfilm machte klar, dass da einer zu Gast ist, der pfiffig und locker wie flockig das sagt, was andere vielleicht nur denken, und sich keinerlei Blatt vor den Mund nimmt. Als TV-Kom- missar Kowalski der Krimiserie "SOKO Leipzig" über die Dreharbeiten zu solch einem Streifen plaudernd, ließ er raus: "Und dann war da so eine Schauspielerin. Mit der musste ich rumvögeln". Und gefragt, was das Schöne daran ist, so ein Buch (Titel: Was alles in einem Menschen sein kann) zu schreiben und Vollzugshelfer zu sein, die Antwort: "Schön ist es nicht".

"Wie haben Sie sich das erste Mal im Gefängnis gefühlt?" lautete Karl-Anton Mauchers Ein- gangsfrage an den in München aufgewachsenen und jetzt im brandenburgischen Potsdam mit Frau (auch Schauspielerin) und drei Kindern lebenden Steffen Schroeder. Es habe ihn sehr bewegt, antwortete er, "als wir einmal in einer stillgelegten JVA gedreht haben". Und es habe ihn auch tief berührt, dass da Männer sind, für die einmal eine Frau in Sichtweite kommt.

2013 standen sich Schroeder und sein Schützling Micha, der einen Menschen umgebracht hatte und dafür eine lebenslängliche Haftstrafe ohne Sicherheitsverwahrung erhielt, zum ersten Mal im Gefängnis Berlin-Tegel gegenüber. Wichtig war für ihn, dass sich Micha aus der rechtsextremen Szene verabschiedete, in deren Sumpf er geraten war, bevor es zur Mordtat kam. Für den Ausstieg gab es ein spezielles Exitprogramm, in dessen Rahmen auch die martialischen Täto- wierungen abgemacht wurden, mit denen eine so "ultrarechte Drecksau" herumläuft. Er selbst habe natürlich auch seine Beiträge geleistet, indem er Micha (nach 21 Jahren Haft jetzt 39) zu dieser Organisation begleitete und mit ihm Gespräche führte, zum Beispiel über die Problematik des anhaltenden Flüchtlingszustroms und die aktuelle Flüchtlingspolitik. Bedrückend und beklemmend ernst gestand der Sympathieträger: "Ich weiß es nicht. Aber wenn ich all das erlebt hätte, was Micha erlebt hat, vielleicht hätte ich dann fünf umgebracht".

In besonderer Aufmerksamkeit lauschte das Auditorium den Lesungen des Autors aus seinem Buch, in dem er seine Erfahrungen in den Begegnungen mit einem Mörder niedergeschrieben hat. Diese Erfahrungen haben es in sich, geben einen Einblick in das Leben im Knast, lassen die Schwierigkeiten nachempfinden, wenn ein langjähriger Häftling endlich einmal wieder in den Genuss des Lebens in Freiheit kommt, wenn auch nur für ein paar Stunden. So schilderte er beispielsweise Michas Kauf von einem Paar Sportschuhen. Verwundert verrät er: "Ich wusste gar nicht, dass es möglich ist, den Preis runterzuhandeln, in Deutschland!" Und als er Jahre nach seiner Einführung erstmals Euro-Scheine in der Hand hielt: "Sehen ja wie Spielgeld aus, die Euroscheine!"

Die Saalspende erbrachte 650 Euro. Nach dem Willen des Gastes kommen sie zur Hälfte der Opferhilfsorganisation "Weißer Ring" zugute, zur anderen Hälfte der Straffälligen- und Wohnungslosenhilfe "Freie Hilfe Berlin".

Sofern es der liebe Wettergott zulässt, ist der nächste Talk am 7. August der traditionelle Open Air Talk vor'm Bock. Karl-Anton Maucher erwartet die drei Leutkircher Köpfe des Geschäftsmanns Christian Skrodzki, des Musikers Joe Styppa und der unzertrennlich mit dem Fahrrad "verhei- rateten" Jutta Schubert.