25. November 2014

Die Stasi war sein "Eckermann" im Leben mit der Wanze

In Anlehnung an einen Roman-Titel von Erich Loest lässt sich auch ein großer Teil im Leben des gestrigen Gastes Rainer Eppelmann beim 159. "Talk im Bock" so bezeichnen. Die nur mäßig besuchte Festhalle ergab lediglich 650 Euro Saalspende, die der "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" zufließen, deren ehrenamtlicher Vorsitzender Eppelmann heute ist. Schade, weil es, wie Moderator Raimund Haser am Ende feststellte, nicht nur ein langer und sehr intensiver, sondern 25 Jahre nach dem Mauerfall des 9. November 1989 vor allem ein "historischer Abend" war.

Der im 2. Weltkrieg 1943 geborene heute 71-jährige Berliner träumt davon, mindestens 93 Jahre alt zu werden. Sollte der liebe Gott mitmachen, dann würde sein ganz großer Wunsch wahr werden: Ein Jahr länger in Demokratie als in Diktatur gelebt zu haben. Hasers anfängliche Anstandsfrage "Geht es Ihnen gut?" verneinte der Gast nämlich erst, um korrigierend nachzuschieben: "Mir geht es sehr, sehr gut". Das war nicht immer so.

Eppelmann geißelt mit scharfen Worten die gängigen Praktiken der Wahlfälschung im "fortschrittlichen deutschen Arbeiter- und Bauernstaat." 97,9 Prozent, 98,9 - 99,8 und dann gar 103 Prozent gab er in seiner Art von Humor zur Entwicklung der Ergebnisse der Volkskammer-Wahlen an, um sie dann so zu kommentieren: "Immer mehr, immer mehr, weil das Volk immer zufriedener und glücklicher wurde, weil immer mehr abgehauen sind" und rübergemacht haben.

Weil er als Jugendlicher nicht bei der FDJ war, gabs kein Abitur, folglich kein Studium der Architektur, daher auch nicht den Wunschberuf des Architekten. Weil der Bau der "antifaschistischer Schutzwall" genannten Berliner Mauer im August 1961 seinen täglichen Weg von der Wohnung im Osten zur Schule im Westen zerschnitt, versaute ihm die Mauer gänzlich das Abitur. Aber mit mittlerer Reife, die jeder in der DDR hatte, Lehre und ein paar Jahren Berufspraxis als Maurer konnte er Theologie studieren und wurde Pfarrer.

Die Verweigerung des Dienstes an der Waffe in der NVA sowie der Ablegung des Fahneneides bescherten ihm acht Monate "Knast" als "Bausoldat" hinter Gittern. Heute bezeichnet er diese harte Zeit als seine wichtigste Lebenserfahrung. Mit unüberhörbarem Stolz behauptete er, wesentlich stärker aus dem Gefängnis raus als ins Gefängnis rein gekommen zu sein.

Fortan hatte ihn die Stasi auch deshalb mitten im Visier, weil er mit der Feier von Blues-Messen immer mehr freiheitsliebende Jugendliche in die Kirche lockte. Die gammelig westlich und amerikanisch daher kommenden Jugendlichen waren dem Regime suspekt, so dass man konterrevolutionäre Umtriebe witterte, weswegen Eppelmann Tag und Nacht unter Beobachtung stand. "Die wollten bloß zeigen", so der Pfarrer, "wir sind immer dabei". Später wurde ihm einmal mitgeteilt: "Sie waren nach Havemanns Tod unser schlimmster Staatsfeind". (Ehre, wem Ehre gebührt!) "Da war uns jedes Mittel recht". Stimmt, denn zweimal verübte man Anschläge auf sein Leben, indem man sein Auto unfallträchtig technisch manipuliert hat.

Das Große bleibt groß nicht, und klein nicht das Kleine. 25 Jahre nach der Stasi-Haft "war ich der Oberkommandierende. - Donnawetta!" Gleich zweimal Minister, im Kabinett Modrow und de Maiziere.

In zwei Wochen schon erwartet Raimund Haser den bekannten Hamburger ARD-Moderator und Entertainer Jörg Pilawa zum 160. Talk in der Festhalle. Dann wird die Gesamtsumme aus der diesjährigen Weihnachts-Spendenaktion bekannt gegeben und überreicht.