21. September 2015

Dienststellenleiter der Vater, die Söhne Banker und Bankräuber

Nach dem Rücktritt von Raimund Haser, der seit 2012 in 22 Veranstaltungen den "Talk im Bock" moderierte und jetzt ein politisches Mandat im Stuttgarter Landtag anstrebt, war der 167. TiB der erste des SZ-Redakteurs Andreas Müller aus Kißlegg. Dem ehernen Grundsatz der Gesprächsreihe folgend, "Menschen mit Geschichten" zu bringen, präsentierte der Neu-Moderator mit dem Ex-Bankräuber und Buchautor ("Hinter blauen Augen") Reiner Laux einen Zeitgenossen, dessen außergewöhnliche Geschichte ganz extremen Seltenheitswert besitzt. Unglaubliche Bekenntnisse schlugen die oft den Kopf schüttelnden Besucher im recht gut gefüllten Bocksaal ganz gehörig in ihren Bann. Die 521 Euro der Saalspende gehen an den Leutkircher "Arbeitskreis Asyl", der in der Stadt 140 Flüchtlinge unterstützt.

Der rund 60 Jahre alte Mann - seinen genauen Geburtstag verrät er nicht - mit strahlend himmelblauen Augen und längerem blondgelockten Haarschopf mit Pferdeschwanz kommt aus gutbürgerlichem Haus. Vater arbeitete als beamteter Dienststellenleiter beim Bundesgrenzschutz, der Bruder ist als Banker "ein hohes Tier" und auch er war "Banker", allerdings der ganz anderen Sorte. Als Bankräuber verübte er von 1985 bis 1995, mit ungeladenen Waffen "kreisend" Überfälle auf 13 Banken. Mit mehreren hunderttausend Mark machte er dabei "fette Beute". Am Anfang wie am Ende seiner Verbrecherkarriere spielten Frauen ganz entscheidende Rollen. Ihnen zuliebe startete er seine "Karriere", wegen einer Frau beendete er sie. Er liebe sie halt einfach, verrät er treuherzig schwärmend, denn sie hätten ihn "immer wieder gerettet, aufgehoben und weitergetragen".

Als alles einmal begann, stand er vor der Wahl "Künstler oder Gangster?" Zur Belustigung der Saalgäste schob er schnell nach: "Ich habe mich für das Bessere entschieden". Sein ungeplanter erster Überfall rettete die aus fünf Frauen und ihm bestehende, hochverschuldete WG. Es war eine ganz normale WG mit einer für ihn mehr als angenehmen Belegschaft, mitnichten eine Sex-Kommune. Dieser erste Überfall war ein Tabubruch, entgrenzte ihn vom bürgerlichen Leben. Die Grenzüberschreitung war von größtem "Reiz, ein ungeheuerer Kick". Er genoss das "Katz-und-Maus-Spiel" mit der Polizei. "Immer am Abgrund" verschaffte es ihm eine "ungeheuere Lebensintensität". Jedoch gestand er auch eine Gefahr ein: die "Gefahr omnipotenten Gefühls, dass man glaubt, die alle aufs Kreuz legen zu können".

Zwischen seinen Taten lebte der dort zur Bohéme gehörende "freundliche Verbrecher" wie in einem Dauerurlaub im portugiesischen Lissabon. Müllers Frage, warum er dort keine Bank geknackt habe, weist er zurück. "Lissabon war mir heilig", schwelgte er, "ein Faszinosum, auch wegen der Frauen".

Fünf Tage vor Heiligabend, am 19. Dezember 1995, ging er der Polizei ins Netz, die ihn in seiner Lissaboner Pension erwartete. Die achteinhalb Jahre in der "Hölle" des Gefängnisses waren eine nicht minder intensive Zeit. Einerseits kam er gut mit den Vollzugsbeamten aus und wurde sogar Gefangenensprecher. Andererseits, betont er, sei es ein ständiger Kampf gewesen. Stärke oder Untergang? Das war dort die Frage. Er habe sich gestärkt.

Zum nächsten "Talk im Bock" am 19. Oktober in der Mensa/Cubus wird Oberstarzt a.D. Reinhard Erös erwartet. Unter dem Titel "Der Klügere gibt nicht nach" spricht er über sein Leben für Afghanistan.