07. März 2016

Durch Höllen reitender Wahlkampfmanager und -insider

Obwohl TiB-Moderator Andreas Müller in Anbetracht der am Sonntag bevorstehenden Landtagswahlen den 172. Talk im Bock nicht besser hätte terminieren können, war die Zahl der Besucher im Bocksaal überschaubar mäßig. Ob die Leutkircher geahnt haben, dass der aus Berlin angereiste Wahlkampfmanager Frank Stauss (51), der in 20 Jahren auf einen Erfahrungsschatz von 25 Kampagnen rückblicken kann, nur wenig über den in wenigen Tagen zu Ende gehenden Wahlkampf Baden-Württembergs sagen würde? Die 330 Euro Saalspende kommen dem Verein "Berliner Paten-Projekt" zugute, der psychisch labile alleinerziehende Mütter unterstützt, die für ihre Kinder Paten suchen.

Obwohl er über lange Jahre für die SPD und ihre Spitzenkandidaten Kampagnen kreiert und gemanagt hat, könne er sich durchaus auch ein Engagement für andere Parteien vorstellen. Zum Beispiel in Württemberg, wo es heute "ja schon nostalgisch" sei, "mit der SPD zu tun zu haben". Der sich permanent im Wahlkampf wähnende gebürtige Freiburger lobte als Autor sein "Höllenritt Wahlkampf. Ein Insider-Bericht" betiteltes eigenes Buch mit verschmitztem Lächeln: "Tolles Buch! Das kann ich ganz objektiv und unbefangen sagen".

Hoch spannend gestalte sich der rheinland-pfälzische Wahlkampf, wo mit Julia Klöckner (CDU) und Malu Dreyer (SPD) zwei "Amazonen" die Klingen kreuzen, um den einen Sessel des Ministerpräsidenten in Mainz zu erobern. Laut Prognosen läge die CDU bei 35 Prozent, bei 35 Prozent genauso die SPD. So lägen beider Nerven natürlich ratzeblank. Drei bis vier Veranstaltungen hätten sie jeden Tag zu bewältigen. Alles werde ganz penibel beobachtet, mitgeschnitten, kommentiert und kritisiert. "Wie die nachts schlafen können, das weiß ich auch nicht". Wenn Umfrageergebnisse bergab gehen, käme es darauf an, "wie nervenstark sie sind, um nicht durchzudrehen".

Natürlich sei es schon so, dass ganz am Schluss der Kandidat das letzte Wort habe, und nicht sein Manager. Erfolgreich punkten und einen Wahlkampf gewinnen könne man nur mit einer glaubwürdigen Kampagne. Diese muss immer genau zur Persönlichkeit der Person passen, denn man kann "die Leute nicht belügen, das funktioniert nicht".

Integration, Vision, Konfrontation mit dem politischen Gegner und Motivation des Wählers, für ein bestimmtes Programm zu stimmen, hebt Stauss als die vier wesentlichen Bausteine eines ordentlichen Wahlkampfes hervor. Wenn einer der Bausteine rausfalle, bestehe bereits ein Problem, bei zwei oder drei "kollapiert alles". Sonderapplaus erntete der Gast mit seinem flammenden Appell, allen Wahlberechtigten die außerordentliche Bedeutung demokratischer Wahlen bewusst zu machen. In wievielen Ländern gibt es schon diese "tolle Sache", mit seinem Kreuzchen mitbestimmen zu können, von wem man regiert wird?

Von Moderator Müller gefragt, ob er glaube, dass sich in den USA Donald Trump als Präsidentschaftskandidat der Republikaner noch verhindern lasse, holte der Gast zunächst weit aus. Er räumte ein, dass es "ein ganz gefährliches Spiel" sei. Er halte aber Trump für den Kandidaten, gegen den die Clinton am leichtesten gewinnen könne. Letzten Endes glaube er schon noch daran, "dass am Ende das Korrektiv funktioniert".

TiB Nr. 173 gibt es am 11. April um 19.30 Uhr wieder im Bocksaal. Zu Gast ist die niederländische Multiaktivistin Nancy Holten. "Im Shitstorm" lautet der Titel. Ihr Engagement gegen Kuh- und Kirchenglocken kosteten sie die Einbürgerung in der Schweiz.