03. Oktober 2023

Ehrbar überzeugender "Hardliner" mit großem gesunden Menschenverstand

Der von Nina Poelchau gefühlvoll einfühlsam und gedanklich wohltuend tiefgründig moderierte 218. Talk im Bock mit dem ehemaligen Bundeswehr-Oberst und jetzigem CDU-MdB, dem 1963 in Pfullendorf geborenen Roderich Kieswetter,  "elektrisierte" wegen der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine  die Leutkircher so sehr, dass der Bocksaal mit 160 Gästen restlos voll besetzt war. Die Saalspende von 1.428 Euro widmet der eloquente Gast der ukrainischen Nichtregierungsorganisation "Come Back Alive". Wie der Gast erklärte, hat es sich die Hilfsorganisation zur Aufgabe gemacht, zurück kommende Ukrainer unterstützend aufzufangen. Draußen vor der Tür hatte sich ein kleines Häuflein offenbar sehr friedensbewegter Jugendlicher eingefunden. Mit Transparenten und Aufschriften wie "Frieden schaffen ohne Waffen" schienen sie gegen den Gast demonstrieren zu wollen. Nach Ende des Talks waren sie verschwunden. Vielleicht hatte ihnen einer empfohlen, solche Demos auf dem Roten Platz durchzuführen.

 

Seine beratenden sicherheitspolitischen Tätigkeiten haben Kiesewetter zu einem der profiliertesten Bundestagsabgeordneten gemacht, wenn es um sicherheitspolitische Fragen geht. Die allermeisten seiner Vorhersagen seien tatsächlich eingetroffen. Das belegte auch das Eingangsvideo, wo er bei Anne Will in der gleichnamigen ARD-Talkshow zu sehen war. Neben ihm seine "heiß geliebte linke Polit-Freundin Sahra Wagenknecht". Obwohl er ihr einen hohen Bildungslevel attestierte, vergleicht er Wagenknecht mit dem römischen Staatsmann Cato, der immer und immer wieder bei jeder Gelegenheit die Worte sprach: "Ceterum censeo Carthaginem ess delendam" (Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss). Auch sie würde wie er ihre Fakes so lange immer wieder wiederholen, bis ihr die Leute glauben werden. So würde sie der AfD Stimmen abjagen.

 

Mitunter geriet Kiesewetter so in Fahrt, dass Poelchau einhaken muss, "damit es nicht zu schnell geht". Anstandshalber fragt sie: "Wollen Sie noch weitersprechen?" Der entgegnet zur Freude des lachenden Publikums: "Ich richte mich da ganz nach Ihnen".

 

Die Mails, die der Oberst a. D. erhält, zeigen sich überwiegend zustimmend, etwas ein Drittel aber auch kritisch bis ablehnend. Äußerungen wie "O je, dieser Kriegstreiber" treffen ihn natürlich. In Anbetracht von 8 Millionen Tötungen unserer Wehrmacht in der Ukraine könne aber Deutschland nicht umhin, solch üble russische Verbrechen nicht zuzulassen. Es sei für uns Verpflichtung einzugreifen. Was die Forderung von Verhandlungen betrifft, gibt er sich sicher, dass Kriege nicht immer durch Verhandlungen beendet werden, was auch das Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt. Vor allem müssten wir uns davon freimachen zu glauben, dass sowohl die Russen als auch die Ukraine verhandeln werden. Wie der Ist-Zustand zeigt, wollen das beide Seiten gar nicht. Russland akzeptiere auch keine weißen Fahnen. Man bringe mobile russische Krematorien zum Einsatz, um Kriegsverbrechen vertuschen zu können.

 

Auch auf die Geschichte rückblickend, gibt sich der MdB überzeugt, dass Russland heute die letzte existierende Kolonialmacht auf europäischem Boden ist. Seine Kritik richtet sich vehement gegen Bundeskanzler Scholz wegen dessen unaufhörlichen Zögerns und Zauderns. Dadurch habe er nicht dazu beigetragen, dass Russland anfängt zu deeskalieren. Durch Zögern und Zaudern würden unzählige Leben vernichtet werden. Und Russland mache unverdrossen weiter, wie die Besetzung des Atomkraftwerks und die Zerstörung des großen Staudamms zeigt. In die im Bocksaal herrschende atemlose Stille hinein dann Kieswetters Worte: "Ich habe keine Angst vor einer nuklearen Eskalation". Trotz wiederholter Androhungen, zum Beispiel durch Medwedew, werde die nicht kommen. Der Preis dafür wäre für Putin viel zu hoch. Den Russen gehe es darum, die Souveränität der Ukraine auszulöschen. Auf Medwedew Bezug nehmend, der sagte, dass es nach der Ukraine weitergehe, könne man davon ausgehen, dass dann die drei Baltenstaaten "dran seien".

 

Bezüglich der Zukunft äußerte Kiesewetter düstere Voraussagen. Das Hauptproblem sieht er darin: "Wenn die Ukraine zerfällt, wird es keine nukleare Abrüstung mehr geben". Denn andere Staaten streben immer stärker nach eigenen Atomwaffen, um sich für den Fall der Fälle aus eigener Kraft selbständig zur Wehr setzen und abschrecken zu können. Als das Wichtigste stellte Kiesewetter mit Nachdruck heraus:  "Russland muss verlieren lernen". Was das bedeutet? Putin und seine menschenverachtenden verbrecherischen Schergen müssen lernen, das Existenzrecht der benachbarten Staaten zu akzeptieren. "Die Stärke des Rechts muss sich letztendlich durchsetzen und nicht das Recht des Stärkeren". Szenapplaus erfüllt den Bocksaal.

 

Was uns Deutsche betrifft, müssen wir bei allen unterstützenden Maßnahmen für die Ukraine vor allem deren Wiederaufbau mitdenken. Bei den in Deutschland weilenden Flüchtlingen komme es ganz wesentlich darauf an, sie in den Arbeitsprozess einzubeziehen. Dazu sei es zum Beispiel notwendig, ukrainische Ausbildungen anzuerkennen.  

 

Im letzten Teil des TiBs beantwortete der Gast eine außerordentliche Fülle von Fragen, für die er sich beim Auditorium bedankt. Eine Frage fordert seine Meinung darüber, ob er eine Möglichkeit sieht, den russischen Verbrecherstaat aus dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu werfen. Diese eher theoretische Möglichkeit schließt er zwar nicht gänzlich aus, jedoch gibt er zu bedenken, dass dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Vollversammlung notwendig ist. Und die sei, wie die Geschichte zeigt, außerordentlich schwer zu erreichen.