05. Dezember 2023

Göppinger Trainerbeben in Baurs Handballerleben

Nachdem im Februar 2009 mit dem eine ganze Sportart verkörpenden Gummersbacher Heiner Brand das "Gesicht des deutschen Handballs" Bernd Dassels Talk im Bock beehrt hatte, war es jetzt der Weltmeister von 2007 Markus Baur (51), der dem clever moderierenden vhs-Vorsitzenden Karl-Anton Maucher im halbvollen Bocksaal vor 75 Interessierten im 219. TiB seine Aufwartung machte. Wie Maucher im Vorfeld seiner Veranstaltung kürzlich publik machte, wird der bei FA (FRISCHAUF) Göppingen im Sommer 2024 auslaufende Trainer-Vertrag des Weltmeisters von 2007 nicht verlängert. Obwohl dieser in der Trainer-Szene als "Trainerbeben" beschriebene unerwartete Vorgang dem TiB brandheiße Aktualität verlieh, dürfte der nur mäßige Zuspruch auf die widrige winterliche Witterung zurückzuführen sein. Die 901 Euro der Saalspende gehen nach dem Willen des Gastes an einen Trainerkollegen, der nach langwieriger schwerer Erkrankung dringend Unterstützung braucht, um wieder voll und ganz auf die Beine zu kommen. Eine Unterstützergruppe verfolgt das Ziel, 100.000 Euro zu sammeln.

 

Christian Schöne, der sportliche Leiter des schwäbischen Handball-Stolzes der Bundesliga, hat sich frühzeitig gegen eine Verlängerung des Vertrags von Baur entschieden, um für alle Beteiligten Planungssicherheit für die Zukunft zu schaffen.Wie seinen Worten unzweideutig zu entnehmen ist, hat Baur die Entscheidung seines Arbeitsgebers keineswegs traurig aufgenommen. Er habe zwar nicht damit gerechnet, gesteht er ein, wiewohl er natürlich weiß, dass man immer damit rechnen muss. Ein Vertrag ist immer zeitlich begrenzt, weswegen man sich immer wieder neu orientieren muss. Göppingens Anspruch (Richtung Tabellenspitze) sei wahrlich hoch, die Wirklichkeit (Tabellenzwölfter) jedoch ist deutlich weiter unten in der Tabelle bei "DEM Handball-Verein Baden-Württembergs" schlechthein anzusiedeln. Die Entscheidung des traditionsreichen Clubs stieß keineswegs auf ungeteilte Zustimmung: "Viele der Jungs haben zu kämpfen gehabt mit der Entscheidung". Seiner Mannschaft attestiert Baur genügend Qualität, um selbst die Füchse Berlin oder die SG Flensburg-Handewitt packen zu können - an einem guten Tag. Zwar nicht ganz so hart wie im Profi-Fußball, funktioniere das Geschäft halt nunmal so.

 

Göppingen ist siebte Trainerstation des jetzt 51-jährigen Familienvaters zweier Söhne und einer Tochter, die es zur Gaudi des Publikums peinlich finden, wenn Vater sie bei ihren handballsportlichen Aktivitäten anfeuern sollte. Auch im Ausland, nämlich dem schweizerischen Winterthur, war er schon tätig. Die dortigen Spitzenclubs, zum Beispiel Schaffhausen, hätten sich gut entwickelt. So gut, dass sie locker in unserer Bundesliga mithalten könnten.

 

Auf Grund seines früheren Sportstudiums besitzt Baur auch die Fähigkeit von Coachausbildungen. So baute er sich verschiedene berufliche Standbeine auf, zum Beispiel im Bereich der Sportpsychologie und als Sachverständiger beim Fernsehen. Dort arbeitete er anfänglich als Co-Kommentator mit dem legendären Ernst Huberty zusammen. Es mache einfach viel Spaß, den eigentlichen Kommentator mit dem eigenen Sachverstand zu unterstützen, ihm qualitativ hochwertige Aussagen einzuflüstern. Auf verschiedenen wirtschaftlichen Standbeinen stehen zu können, hält er für außerordentlich wichtig und wertvoll. Mit Hinweis auf seine Tochter: Auch im Profi-Handball der Damen kann man davon schon leben, dennoch sollte auch sie das eine oder andere Standbein entwickeln. Das sei im Falle eines Falles immer eine gute Sache.

 

Im Vorausblick auf die im Januar in Deutschland stattfindende Europameisterschaft müsse man in den Gruppenspielen gegen Schweiz, Nordmazedonien und Frankreich eigentlich recht gut punkten können. In der Hauptrunde allerdings triftt man auf "lauter Gegner auf Augenhöhe", wobei er mehrfach unüberhörbar das Team aus Dänemark auf den Favoritenschild hebt. Nicht zu unterschätzen ist die lautstarke Publikumsunterstützung in den großen Arenen. In der Kölnarena mit maximal 20.000 Plätzen könne man den Ball noch bis an die Decke werfen. In der Arena auf Schalke reichten die Ballwürfe nur bis maximal fünf Reihen unterhalb des Oberrangs. Im Eröffnungsspiel gegen die Eidgenossen in der Düsseldorfer Merkur-Spielarena  werden die erwarteten 50.000 Besucher einen Höllenlärm losbrechen. Wichtig sei aber, dass man sich voll und ganz auf das Wesentliche konzentriere, das auf allen Plätzen immer gleich ist. Das Drumherum nehme man aber natürlich schon wahr.

 

Kritische Worte findet der einen Meter neunzig große Handballer - im Rückraum beileibe keine riesenhafte Größe - hinsichtlich der Tatsache, dass mindestens acht von 16 Spielern einer Mannschaft Top-Größen aus dem Ausland sind. Talentierte junge einheimische Spieler hätten es dadurch echt schwer, größere Spielzeiten zu erlangen und sich im Team fest zu etablieren. Das ist einer der Gründe, warum nicht wenige ins Ausland, zum Beispiel nach Ungarn, abwandern.

 

Wie im einleitenden Kurzfilm zu sehen, wurde Markus im Wintermärchen von 2007 als Spieler im Finale gegen Polen (29:24) Weltmeister. Sein Trainer gewann damals seinen zweiten WM-Titel. Deshalb kam aus dem Publikum die Frage, ob auch heute noch Ratschläge von Heiner Brand für das aktuelle Team kommen. Das bejaht der Göppinger Trainer mit dem Hinweis, dass man sich recht regelmäßig treffe, um noch immer in einem Oldstar-Team zusammen Handspiel zu spielen und, wie es sich gehört, zu gewinnen.