08. August 2023

Härles Unternehmensnachfolgerin, edelfederner Feuilletonist und kontrabassistischer Musikpädagoge

Weil es der liebe Wettergott so wollte, musste der gestrige Sommertalk Nr. 217 von vor'm Bock in die Festhalle verlegt werden, die mit annähernd 300 Besuchern gut besucht war. Sie sorgten für eine Spendensumme von 1.460 Euro. Das Geld geht an in Not geratene Familien, die von der evangelischen Kirchenstiftung unterstützt werden, wie der moderierende Karl-Anton Maucher erklärte.

 

Als erster von drei Moderatoren talkte Maucher mit der jungen Unternehmensnachfolgerin der Härle-Brauerei Esther Straub. Der kinderlose Gottfried Härle machte den Namen des in Herlazhofen aufgewachenen "Nachbarskindes" beim TiB vor vier Jahren öffentlich. Mit großem internationalen universitären Rüstzeug ausgestattet, stieg die durch und durch durchgrünte junge Frau, top vorbereitet aus Istanbul in die Provinz kommend, mit "Feuer und Flamme" in die Leitungsposition der schon längst klimaneutral wirtschaftenden Leutkircher Traditionsbrauerei ein. Sie verweist darauf, dass die Privatbrauerei zwar klimaneutral produziere, dass es aber wegen der Lieferketten keine klimaneutralen Produkte gebe. Härle findet es gut, dass seine Brauerei am Ende seines Berufslebens nicht abgesperrt werden muss, die 2016 eingestiegene Straub, die seit 2022 als gleichberechtigte Geschäftsführerin arbeitet, findet es ebenso gut, dass ihr gereifter Partner auf 30-jährige Erfahrung blicken kann. Gefragt, ob es im Betrieb eine Konfliktkultur gebe, antwort Esther humorig gewitzt, selbstbewusst und vor allem schlagfertig: "Die braucht es nicht!" Und fügt hinzu: "Schön, dass ich so tolle Mitarbeiter hab". Später soll sie die Entscheidungsfunktion einmal ganz übernehmen und vollhaftend den Betrieb allein weiterführen. Die in Sachen Nachhaltigkeit vorbildliche 33-jährige Co-Geschäftsführerin ist voll und ganz von Härles Unternehmensphilosophie überzeugt. Die Ausrichtung auf Regionalität und Bio scheint ganz in ihrem Sinn. Das scheint sich bis nach Berlin in Meister Robert Habecks Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz herumgesprochen zu haben. Von dort erreichte sie nämlich ein höchst ehrenvoller Anruf, der sie flugs "ab nach Berlin hinauf" führte. Jenseits von Lobby als Impuls gehört sie jetzt Habecks beratendem Mittelstandsbeirat an. Beeindruckend eloquent und in ihrer Art extrem entschlossen, tut sie jetzt schon, obwohl alles noch kaum begonnen hat, kund und überlegt, wie sie den Betrieb einst später einmal übergeben möchte. Der Tatsache eingedenk, dass als Geschäftsführerin viel Verantwortung auf ihren Schultern lastet, denkt sie voraus: "Hoffentlich sehr umweltfreundlich". Da die Statistik heute sinkenden Bierabsatz konstatiert bei der "kleinen Nische" von nur 0,4 Prozent Biobier, gibt sie sich natürlich fest entschlossen, diesen Anteil so weit wie möglich zu vergrößern. Bei Mauchers Frage, ob sie bei der nächsten Kommunalwahl antreten möchte, gibt sich Straub sonderbar bedeckt: nur undefinierbares Gebrummel! 

 

Moderatorin Nina Poelchau lieferte sich mit der "edelfederlich kulturellen Instanz" Rolf Waldvogel, der bis zum Ruhestand 2009 leitender Redakteur des Kulturressorts der Schwäbischen Zeitung war, einen humorig kurzweiligen niveauvollen Disput über Gott und die Welt, insbesondere über einige weniger erfreuliche Sprachphänomene, die der sich immer weiter in Tiefflug befindlichen sprachlichen Unkultur des Zeitgeists geschuldet sind. Im Unterschied zu Straub und Maucher wurde ihm kein Bier serviert, was ihn nicht weiter ärgerte: "Ich hätte jetzt eh' keines getrunken, nur danach". Einst in den Sechzigern Sinologie studierend, hatte er einmal vor, Pädagoge zu werden, jedoch schwenkte er dann auf Journalismus um. Das habe er nie bereut. 1972 war er bei der SchwäZ als Kulturredakteur angekommen. Wie er arbeitete auch seine Frau als Redakteurin, über Heim und Garten schreibend. In Ulm hatte er einst unter einem "Ekel von Chef" zu leiden. Der trug ihm für eine Zeitungsbeilage einen größeren Artikel über das Thema "600 Jahre Ulmer Münster" an. Weil der Bundespräsident zu den Feierlichkeiten in der Donaustadt erwartet wurde, hatte das Werk tatsächlich in vier Wochen fertig zu sein. Aus heutiger Sicht hat Waldvogel nie bereut, Journalist geworden zu sein, wiewohl er freimütig einräumt, dass der "Job immer anstrengender und stressiger" werde. Von den Sachgebieten her "würde ich es wieder machen". Ob er es aber dennoch wieder machen würde? "Ich weiß es nicht". Auch als Buchautor hat sich Waldvogel einen Namen gemacht. Bücher machen ihm Spaß, wenngleich "nur wenig hängen bleibt". In seinen "Sprachplaudereien" in der Schwäbischen machte er immer wieder deutlich, mit vielem nicht zufrieden zu sein, weil ihn "vieles ärgert". Er sieht unsere Sprache heute "in einer Art Dauerstress". Neue Medien würden immer sorgloser mit allem umgehen, was Sprache angeht. Wirklich "schrecklich" findet er das: "Das regt mich auf". Ganz harte Kritik übte er einem fehlerhaften Schriftstück des Kultusministeriums zur Werbung für den Lehrerberuf. Die Frage nach einem WhatsApp bejahte er zwar, "aber mit Kommasetzung, eisern!" Ganz besonders nerven ihn jene Werbetexter mit der Unart, auf Englisch zu texten, ohne die Sprache überhaupt zu beherrschen. "Oft sind sie nicht einmal fähig, englische Text rückzuübersetzen". Für besondere Heiterkeit sorgte ein Waldvogel-Anekdötchen über ein Mädchen im Supermarkt, das den Unterschied zwischen Cherry- und Kirschtomaten nur so erklären konnte: "Naja, des sind halt Cherrytomaten". Mitunter wurde Waldvogel auch schon vorgeworfen, er solle doch nicht so deutschtümelig daher reden. Beifälligen Szenenapplaus erntete der durchaus intellektuell wirkende Gast immer dann, wenn er mit seinen Standpunkten auf Zustimmung des Publikums stieß. Zum Beispiel, wenn irgendwelche selbsternannte Minderheiten sich anmaßen vorzugeben, was wir sagen dürfen und was nicht. Zum Beispiel bei der Unsitte des Genderns. 60 Prozent der Frauen seien laut Waldvogel dagegen, wenn Zuhörer*innen geschrieben wird.

 

Dass der Sommertalk einen besonderen musikalischen Anstrich bekam, lag daran, dass der mit Joachim Rogosch plaudernde Kontrabassist und Musikerzieher Song Choi seine mitgebrachte voluminöse bauchige "Stehgeige" am Ende der Veranstaltung auch zum Einsatz brachte. Keineswegs nur mit "schrumm, schrumm", sondern mit edler e-pianistischer Begleitung durch seine zweite Angetraute. Wer geglaubt hatte, er würde vielleicht des spanischen Musikers Miguel Rios' "Song of joy" zum Besten geben, sah sich getäuscht, aber keineswegs enttäuscht. Mit herrlich edlem Wohlklang zelebrierte das Ehepaar das Stück "Salute d'Amour" des britischen Komponisten Edward Elgar (1857 - 1934). Die sehr einfühlsame pianistische Begleitung liftete das Schrummen des monumentalen Streichinstruments melodisch anmutig in erhabene Tonhöhen. Natürlich lieferte "Just Friends" wie gewohnt seine stets formidablen jazzmusikalischen Beiträge. Leutkirch kann in Glück schwelgen, weil der renommierte Kontrabass-Lehrer, Musikpädagoge und Musiker mit koreanischem Vater gerade hier seine Wahlheimat gefunden hat.