23. September 2014

"Ich weiß nicht, wie's mir morgen geht"

Aus dem Mund eines Gesunden würde sich diese Aussage so banal anhören, dass man schmunzeln müsste. Aus dem Mund des jetzt 29-jährigen "Münchner Kindls" Nathalie Todenhöfer aber, die seit über zehn Jahren an der noch unheilbaren "Krankheit mit den tausend Gesichtern" leidet, wirken solche Worte bedrückend ernst. So verlief der 157. "Talk im Bock" im mit fast 150 Gästen gut besuchten Bocksaal größtenteils in angespannter Stille, jedoch kamen trotzdem die Lacher auf ihre Kosten , wenn der sehr schlanke, fast zerbrechlich wirkende Gast mit witzigen Bemerkungen für befreiend heitere Situationskomik sorgte. Beispielsweise als Nathalie ihren Vater Jürgen, mit dem vor allem politisch wahrlich nicht gut Kirschen essen sein soll, als Lausbub, ja sogar als "Dödel" charakterisierte.

Die Saalspende von zusammen 1.275 Euro fließt in Nathalies Nathalie-Todenhöfer-Stiftung, die zu managen sich die MS-Patientin zur Lebensaufgabe gemacht hat. Ziel der Stiftung ist es, anderen Leidensgenossen "ein Stück Lebensfreude" zu geben, ihnen glückliche Momente zu bescheren. Zum Beispiel, wenn man einem Kranken einen großen Fernseher finanziert, obwohl er einen kleinen hat, der es eigentlich auch täte.

Vor dem Beginn ihrer Krankheitsgeschichte auf einem Mailänder Flughafen, als sie sich kurz vor dem Abi an einer englischsprachigen Universität zum BWL-Studium einschreiben wollte, hatte sie keine extravaganten Träume: Abitur machen halt und dann studieren. Erst nach dem Abitur erfuhr sie die niederschmetternde Wahrheit: "Du hast Multiple Sklerose!"

Bis heute hat sie viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, auch mit allen verfügbaren Medikamenten bis auf eines, das erst kurzzeitig auf dem Pharmamarkt ist. So kann sie einem Saalgast überzeugend die Frage beantworten, wie man als Betroffener mit der ganz frisch erhaltenen Diagnose umgehen soll: nicht den eigenen Fall mit anderen vergleichen, so gut es geht ganz normal leben, vor allem aber sich nicht von den Ängsten des Lebens übermannen lassen. Sie selbst sollte eigentlich Sport treiben, aber: "Ich mache keinen Sport". Beim Skaten zum Beispiel hätte sie "Todesangst, die Kontrolle zu verlieren". Auch sollte sie vegetarisch essen, aber: "Ich esse viel lieber Fleisch". Zur Gaudi des Publikums verriet Moderator Raimund Haser, dass sie sich zuvor im Mohren einen reschen schwäbischen Zwiebelrostbraten einverleibt hat.

Trotz des chronischen Nervenleidens mit den Nebenwirkungen von Müdigkeit, Erschöpfung und Lustlosigkeit hat sie sich mit der Gesamtsituation abgefunden, fühlt sich voll im Leben angekommen. Träume aus Kindheitstagen wurden wahr. Der einjährige Sohn Paul gedeiht ganz prächtig. Wenn sie ihren Verlobten geheiratet hat, wird er bald anders heißen. Der Bräutigam, sagt sie, "leidet oft mehr als ich". Und auf den streitbaren Vater Jürgen, der oft angefeindet und handfest bedroht wird, lässt sie nichts kommen. Schließlich hat er dem Verlobten ins Ohr geflüstert: "Heirate sie, dann hat sie für's Leben eine feste Stütze".

In der nächsten Veranstaltung am 27. Oktober talkt Raimund Haser im Bocksaal mit Alexander Horn, der sich als Spurenleser auf das Puzzeln bei der Mördersuche versteht.