25. März 2014

„Mich mit meiner schwarzen Haut hätte er bestimmt auch erschossen!“

Auch im 152. TiB in der gut besuchten Festhalle bekräftigte Jennifer Teege  (44), die Enkelin des als “Schlächter von Plaszów” berüchtigten Massenmörders Amon Göth, diese Aussage. Diese Gewissheit stützt sie auf ihre dunkle Hautfarbe, die dem im NS-Rassen- wahn verfangenen KZ-Kommandanten sicher unerträglich gewesen wäre. Und darauf, dass der sadistische Unmensch willkürlich zu handeln pflegte. Teege: “Er hat willkürlich Menschen erschossen. Ich kann mir vorstellen, dass er auch mich eliminiert hätte”. Für ihn sei es ganz normal gewesen, brutal zu sein, zum Beispiel die Dienstmädchen mit einem Ochsenziemer zu prügeln, denn “Menschen waren für ihn Objekte”. Nach zwei Fehlver-suchen sei er 1946 in Polen am Galgen mit den letzten Worten “Heil Hitler” geendet. Viel zu selbstbezogen, erklärte die Tochter eines Nigerianers, habe er keine Reue zeigen können.
Ihr persönliches Bild vom Großvater sei ein anderes als das von Spielberg in “Schindlers Liste” gezeichnete. Jenes zeige eine Filmfigur, ihr Bild aber sei eine Kombination aus historischer und realer Figur, vermittelt aus der Sicht der Großmutter.
Von Bernd Dassel aufgefordert, ihre ersten Reaktionen zu schildern, als sie 2008 im zufällig in einer Bibliothek aufgefundenen Buch auf die Wahrheit ihrer Familiengeschichte stieß, sprach der Gast erst von Irritation. Alles erschien ihr abgelöst, “alles um mich ganz schleichend”, alles andere sei zurückgetreten. Dann habe sie Schock empfunden, der ihr fast die Beine wegsacken ließ. Draußen auf einer Bank liegend, schien ihr Autofahren nach Hause unverantwortlich.
Nachdem sie früher In Israel studiert hatte, habe sie zweieinhalb Jahre gebraucht, bis sie so weit war, ihrer besten jüdischen Freundin die Wahrheit vom Großvater mitteilen zu können, obwohl sie nicht befürchten musste, ihr würde die lang- jährige tiefe Freundschaft aufgekündigt.
Die gebannt und über weite Strecken regungslos lauschenden Saalgäste ver- stummten vollends, als der Gast von ihrer Reise an den Ort des Grauens nach Krakau erzählte. Ihr sei es am Mahnmal darum gegangen, symbolisch von den Opfern Abschnied zu nehmen. Das sei wichtig gewesen, um weiterleben zu können.
Großer Beifall brandete am Ende auf. Bei jedem der 115 Auftritte mit ihrem Buch fühle sie, “dass es gut und sinnvoll ist, was ich mache”. In Zukunft gelte es noch zahlreiche Steinchen in das Puzzle ihrer wahren Identität zu fügen. Am Ende des Lebens soll das Mosaik vollständig und gerahmt sein. Sie fühle sich glücklich, weil sie ihre Depressionen überwunden habe und angstfrei lebe.
Die Saalspende für die Organisation “Ärzte ohne Grenzen” erbrachte 1.300 Euro. Den nächsten TiB mit Hamed Abdel-Samad am 14. April moderiert Raimund Haser.