12. Januar 2015

Ohne Dreck am Stecken

Der einleitende Kurzfilm tauchte das zahlreiche Publikum im randvollen Bocksaal ein in die von der Realität des normalen Lebens abgehobene Welt der Finanzjongleure, der auch der 55-jährige Gast des 161. Talks, Rainer Voss, einmal angehörte. Mit einem Gehalt von 100.000 Euro - im Monat - konnte auch er sich wie die anderen Investment-Banker in den verspiegelten Wolkenkratzern in Frankfurts "Mainhattan" als "Master of the Universe" fühlen. Der gleich lautende Kino-Dokumentarfilm über sein Berufsleben hat eingeschlagen, über zwei Millionen haben ihn gesehen.

Dass er frühzeitig aus dem Metier ausgestiegen ist, leuchtete bereits ein, als Voss  Raimund Hasers Bitte entsprach, doch einmal seinen letzten Arbeitsplatz zu beschreiben. "Sechs großflächige Bildschirme am Schreibtisch, zwei Tastaturen und zwei Mäuse und (mit Geste des Scheibenwischers) ständig so einen 20 Jahre jüngeren Arsch im Nacken, der dir ständig sagt: So und so musst du es machen".

Seither lebt er als Privatier mit Frau und drei Kindern in Frankfurt. Mit der Begründung, es gebe in Deutschland nur 3.000 Studenten, die tatsächlich volljährig seien, hat er ihnen verboten, gleich nach dem Abi ein Studium aufzunehmen, und geraten, erst einmal eine Lehre zu machen. So hat er es selbst auch einmal gemacht.

Die Frage des Moderators "Plötzlich Privatier, wird da die Frau nicht wahnsinnig?" korrigierte der Gast. Das sei nicht von heute auf morgen geschehen. Natürlich habe er professionelle Hilfe in Anspruch genommen, schließlich sei es ein Resozialisierungsprozess. Man müsse wieder ganz einfache Sachen wie das Fahren in der U-Bahn lernen, wenn man immer nur Taxi gefahren sei.

Selbst aus einfachen, nicht-akademischen Verhältnissen stammend, so versichert er, sei er boden- und anständig geblieben. Mit glaubhafter Rhetorik: "Glauben Sie denn, ich säße hier, wenn ich Dreck am Stecken hätte?" Auf gar keinen Fall würde er wollen, dass einer in der 3. Reihe aufsteht, verächtlich mit dem Finger auf ihn zeigt und dann ruft: "Mit dem hab' ich auch einmal ein Geschäft gemacht!" In der Finanzwelt Kriminalität zu leugnen, liegt ihm fern: "Sie ist der Preis, den die Gesellschaft für ihre Freiheit bezahlt".

Mit gehöriger Portion Galgenhumor gestand er: "Es gibt viele Banker, die nicht mehr wissen, was ihre Handlung auslöst". Ihre Machenschaften vergleicht er mit einem Vierjährigen, der seine zweijährige Schwester umbringt. Im Unterschied zu ihnen kann das Kleinkind nicht ermessen, was es angestellt hat, deswegen auch nicht verantwortlich gemacht werden. Früher habe man ganz bewusst gehandelt, weil man wusste, dass eine Handlung A eine ganz bestimmte Folge B auslöst. Das war einmal...

So steht für ihn unverrückbar fest: Die Euro-Zone wird nicht überleben. Und: Die nächste Krise kommt bestimmt. Auch sie wird wieder die Falschen reich und die Falschen arm machen.

Die 1.418 Euro Saalspende gehen in Leutkirchs südwestfranzösische Partnerstadt Bédarieux. Das Geld kommt Kindern von Familien zugute, die unter den Folgen einer Flutkatastrophe leiden.

Den nächsten TiB gibt es am 23. Februar in der Festhalle. Raimund Haser erwartet Laufsteg-Trainer, Modeschau-Choreograph und Mediensternchen Jorge Gonzalez.