20. Oktober 2015

Reinhard Erös: „Mögen sie dich nicht, kriegst du kein Bein auf den Boden“.

"Das war heute ein toller Talk, der hat es voll gebracht" waren die Worte einer jungen Frau, als sie das HMG verließ, nachdem der lang anhaltende Schlussbeifall in der Mensa verklungen war. Trotz der brandheißen Aktualität im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Taliban in Afghanistan und des dadurch verursachten sich verstärkenden Zustroms afghanischer Flüchtlinge nach Europa, wegen der Politik der offenen Grenzen vorrangig zu uns nach Deutschland, fanden sich lediglich 150 Besucher zum 168. TiB mit dem Oberpfälzer Oberstarzt a.D. Dr. Reinhard Erös ein. Die von ihnen gespendeten 681 Euro kommen natürlich der von ihm mit seiner Frau Annette, einer Lehrerin, aufgebauten "Kinderhilfe Afghanistan" zugute. Mit seiner Familie führt der ausgebildete Fallschirmjäger und Einzelkämpfer im Land am Hindukusch seinen eigenen Krieg an einer ganz anderen als der militärischen Front: an der Bildungsfront!

Waren es in den Anfängen ganze 10 Unterstützer, so besteht heute "ein 20 bis 30.000 Helfer umfassendes Netzwerk". 30 Schulen mit 65 Lehrern, so berichtet der engagierte Aktivist mit einigem Stolz, habe man inzwischen aufgebaut, ja sogar eine modern ausgestattete Uni. "Wenn Mädchen nicht zur Uni kommen, dann muss die Uni zu den Mädchen kommen". Wissende Mädchen würden, so sie denn einmal mit 18 oder 19 Jahren heiraten, keine 6,8 Kinder im Schnitt mehr bekommen, sondern nur noch zwei oder drei. Aus Bildung erwachsen echte Perspektiven, weshalb weniger junge Menschen ihr geschundenes Land, in dem eigentlich alles im Argen liegt, verlassen werden, um ihr Heil in der Flucht zu suchen. Für den jetzigen Flüchtlingsstrom zu uns äußerte er Verständnis. Hier finde man die lang ersehnte Sicherheit, die es in Afghanistan nicht gibt und lange nicht geben wird, und gut versorgt werde man dazu auch noch.

Weil er in seinen Anfängen Ende der 80er Jahre den Mudschahedin, afghanischen Freiheits- und Widerstandskämpfern gegen die sowjetische Besatzungsmacht der Roten Armee, geholfen hat, habe er das Vertrauen der Einheimischen gewonnen. Deren Wesen sei sehr personenbezogen. Würden sie einen, warum auch immer, nicht mögen, "kriegst du kein Bein auf den Boden".

Die amtierende Verteidigungsministerin von der Leyen kommt beim Ex-Kommandeur eines Sanitätsbataillons der Bundeswehr gar nicht gut weg. Unüberhörbar ironisch "lobt" er sie als eine "kluge und gescheite Ministerin, wie er selbst auch Ärztin, die, wie wir jetzt ja wissen, sogar eine Doktorarbeit geschrieben hat". Wenn die Amis bleiben, müssten auch deutsche Soldaten bleiben. Verschwinden sie jedoch einmal, dann dürften auch unsere zurück in die Heimat.

Neun von zehn Afghanen, so Erös im Brustton vollster Überzeugung, "hassen die Amerikaner wie die Pest". Weil Obama den Drohnenkrieg verfünfzehnfacht habe, seien gegenwärtig 900 Drohnen im Einsatz. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, geißelt mit scharfen Worten die stundenlangen nächtlichen US-Luftschläge auf das beste Krankenhaus des Landes vor einigen Tagen. Sie seien ganz gezielt erfolgt. In der Intensivstation seien vier Kinder im Bett verbrannt. Sechs Ärzte seien den Attacken zum Opfer gefallen. Und Mister Präsident? - Versuchte sich damit zu entschuldigen, dass es ein Versehen gewesen sei!

Zum 169. Talk erwartet Moderator Andreas Müller am 2. November den Friedensaktivist und Autor Urs M. Fiechtner im Bocksaal. Das Thema: Wenn Grausamkeit plötzlich ein Gesicht bekommt und Menschen aufhören, welche zu sein.