01. Juli 2014

Seriöser investigativer Vollblut-Fernsehjournalist

Leider stand der gestrige 155. "Talk im Bock" mit Raimund Haser als Moderator und Stephan Stuchlik als Gast ganz im Schatten des WM-Spiels der deutschen Mannschaft gegen Algerien. Schade, dass es die übliche abschließende Fragerunde nicht mehr gab, damit das nur rund 80 Besucher zählende Publikum rechtzeitig nach Hause an die Bildschirme kam. Die Saalspende ergab nur 470 Euro, die nach dem Willen des Gastes der wirklich segensreichen Organisation "Memorial" in Moskau zufließen. Die 1988 auf Initiative von Andrej Sacharow gegründete Menschenrechtsorganisation hat sich der historischen Aufarbeitung politischer Gewaltherrschaft verschrieben. Die derzeitige Gesellschaft in der auch "Demokratur" genannten gelenkten russischen Demokratie, brauche solche Institutionen mit kritischem Geist ganz, ganz dringend.

In diesem System ist auch die "russische TV-Landschaft mehr oder weniger gleichgeschaltet". Direkter Einfluss des Kreml bzw. von Gazprom, die "zeigen, wo es langzugehen hat", seien "gang und gäbe". In diesem "korrupten Oligarchensystem der letzten 20 Jahre" werde manipuliert nach Strich und Faden, zum Beispiel durch Kombination aktueller Texte mit Bildern von 2008. Die Mediensituation sei so, dass es "nur gut oder böse gibt, links oder rechts, und du wirst sofort hier oder dort eingeordnet und dann womöglich gleich geschlagen".

Durch Hasers Frage zum "schwarzen Donnerstag" (20.2.14) auf dem Kiewer Maidan angeregt, ob da was dran sei, dass die "Opposition auf sich selbst geschossen" hat, gab der gebürtige Landshuter ein Exempel für investigativen (nachforschend, aufdeckend) Journalismus. Es sei nachgewiesene und dokumentierte Tatsache, dass ein Teil der 70 Toten Einschüsse in den Rücken aufwies. Originalton: "Es gibt Hinweise, dass gewalttätige Demonstranten geschossen haben, auch auf eigene Leute". Warum? "Weil Politik ein schmutziges Geschäft ist", könne ein wichtiges Motiv sein: "Wir brauchen mehr Eskalation!"

Was die aktuelle Waffenruhe in der Ost-Ukraine, die um 21 Uhr des TiB-Abends ablief, betrifft, prophezeite der RU-Experte, dass es "danach wie davor" sein werde. In wenigen Tagen würden die Gefechte an einigen Orten wieder aufflammen. Die Gefechtslage sei sehr kompliziert, weshalb man direkt "vor Ort sehr genau hinsehen muss, wer wo was tut". Und genau das tut der "Monitor"-Reporter des WDR. Ganz wichtig sei, "mit der richtigen Einstellung" hinzufliegen. Und wie steht es mit der eigenen Angst? "Die kriegst Du erst hinterher, wenn Du raus bist, Dir der Schweiß auf der Stirn steht".

Schon in zwei Wochen gibt es am 14. Juli - am Montag nach dem WM-Finale - im Cubus den nächsten Haser-TiB. Zu Gast ist der frühere israelische Botschafter in Berlin und Buchautor Avi Primor.