10. August 2021

Sinnsuchende Weltreisende, paradiesisch lebendes Multi-Talent und seelsorgender Entwicklungshelfer

Als hätte er es gerochen, der liebe Wettergott, dass nach mehr als 20-monatiger pandemisch bedingter Zwangspause Leutkirch tatsächlich wieder einmal zu einem Talk im Bock bläst, ließ er seine Wasserbottiche nicht schon wieder überlaufen. So konnten die "Leutkircher Köpfe" wirklich vor'm Bock auf bezelteter Bühne mit Karl-Anton Maucher talken und rund 130 "unbedröppelte" Zuseher unter freiem Himmelszeit kurzweilig unterhalten. Total lokal aus Leutkirch erschien der studierte katholische Theologe und Agrarökonom Josef Rauch. Von Leutkirchs metropolitaner Peripherie aus dem Paradies zwischen Engeratshofen und Engelboldshofen kam Multi-Talent Agnes Keil zum Gänsbühl. Und von ganz weit weg aus dem fernen Ägypten war die Lebenssinn suchende gebürtige Leutkircherin Teresa Dieckmann (Bild rechts) zugeschaltet.

 

Die saß in einer ägyptischen Kleinstadt am Roten Meer, wo sie sich derzeit im Tauchsport versucht, offensichtlich ein wenig "auf Kohlen", bis sie als zweite Talkerin bei Karl-Anton Maucher zum Zug kam: "Hallo nach Ägypten!" Die 28-Jährige reagierte postwendend mit "Hallo Mama, hallo Papa!" und verrät sogleich, dass die Urlaube immer länger werden würden. Trotzdem gehe das Geld nicht aus, weil die Preise viel günstiger als in Deutschland seien. Ihre "Reise zum Sinn des Lebens" habe im Mai 2017 begonnen, als sie in Dresden ohne Zaudern und Zögern dem Lockruf ihres Filme machenden Partners Martin Zech folgte. Der fragte sie nach nur dreiwöchiger Bekanntschaft: "Willst Du mit in die Mongolei?" In einem knallgrün leuchtenden, aber "Mister Pink" genannten umgebauten Fahrzeug der Marke Mitsubishi L300, Baujahr 1999, ging es los nach Osten. Zunächst gen Moskau und von dort der Trasse der Transsib folgend Richtung Mongolei. Probleme gab es viele mit dem als dauerhafte Wohnung, Reisemobil und Filmstudio genutzten Fahrzeug: kaputter Motor in der Gobi, gebrochene Achse 150 Kilometer vom nächsten Dorf, Verlust von Öl usw. Irgendwann aber gewöhne man sich daran, sagt die junge Frau Dieckmann. Dabei sei Entspannung wichtig, die Entwicklung einer "entspannten Beziehung zu bestehenden misslichen Umständen." Zwei Filme ihrer Trilogie "Abfahrt ins Nichts" seien fertig und auf Youtube (700.000 Aufrufe) zu sehen. Mit Spendengeldern konnte die Reise finanziert werden. Problematisch sei, so die Erfahrung der Medizinerin, die Angst vor Unsicherheit, wenn sich ständig viel verändere. In dem Bewusstsein, dass es eben "viele verschiedene Normalitäten" gebe, sei solche Angst jedoch zu bewältigen. Am wichtigsten ist es für sie, dass sie gelernt habe, "sich selbst eine innere Sicherheit aufzubauen". Und gelernt zu haben, "wie heilsam Natur für den Menschen" ist. Teresa Dieckmann folgte Mauchers Vorschlag, in einer Sonderveranstaltung die Filme zu zeigen, so sie wieder einmal irgendwann nach Leutkirch kommen sollte.

 

Zusammen mit einer Mini-Skulptur erklomm zunächst die multi-talentierte Malerin, Zeichnerin, Tänzerin etc, vor allem aber Bildhauerin Agnes Keil die kleine Bühne zum Talk. Zusammen mit ihrem Mann und Künstlerkollegen Peter Heel schuf sie sich ein selbsgewähltes, eigenständig gestaltetes Paradies im und um das alte Schulhaus von Engerazhofen. Wie ihr heutiger Tag verlaufen sei, beantwortete die Künstlerin so: aufgewacht mit Angst vor dem heutigen Abend, dann Paddeln im Weiher, danach Schwimmen und dann ab durch die Mitte nach Hause. Ein Glück, dass Peter Kochwoche hat. Sie brauchte sich zum Mittagessen nur an den Tisch zu setzen. Ihren Weg zur Bildhauerei erklärt Keil damit, dass der Weg zur Kunst immer schon in ihr da gewesen sei. Angefangen habe alles "absolut ärmlich". Man weiß ja, nur drei Prozent können davon leben, "aber es musste halt einfach sein". Das Gefühl sei für sie "super" gewesen, "deswegen konnte ich durchhalten, jedes Jahr ein wenig mehr". Zu der Frage nach Existenzangst, sagt Keil: "Weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Ich hatte kein Selbstvertrauen, aber: Es musste einfach sein, egal wieviel Angst und Zweifel." Sehr wohlgesonnen scheint sie Kunden aus der Schweiz zu sein. Sie kommen und kaufen kurzerhand Kunstwerke zu Preisen im fünfstelligen Bereichen. "Echt günstig", frohlocken sie dann noch dazu.

 

Der sehr humorvoll, aber ausgesprochen redselig daher schwätzende "Mann des Wortes und der Tat" Josef Rauch setzte den Schlusspunkt der Veranstaltung, die von "Just Friends" beeindruckend jazzmusikalisch umrahmt wurde. Mit zwei Studienabschlüssen (katholische Theologie, Agrarökonomie) brach der damals 29-jährige Jüngling 1977 in das mittelamerikanische Guatemala auf, um dort "auf Taschengeldbasis" zu leben. Es war eine schwierige Zeit großer weltpolitischer Konflikte (Kalter Krieg, Ost-West-Konflikt). In Guatemala pfiffen Kugeln durch die Luft, Hunderttausende verschwanden einfach auf Nimmerwiedersehen, keiner wusste wohin. 21 Familien sind es, die 60 Prozent von Grund und Boden des Landes besitzen. Als Rauch später wieder einmal dort war, musste er feststellen, dass die Welle der Gewalt zugenommen hatte. Die Militärs schüchtern die Bevölkerung ein. "Einmal sind die Lehrer dran", die einfach "abgeknallt" werden, dann die Polizisten, dann wieder eine andere Berufsgruppe. So wird dem Volk klargemacht: "Leute, wenn ihr nicht den Mund haltet, dann seid ihr dran". In seinem Berufsleben, einer Symbiose aus Seelsorge und Entwicklungshilfe, verschlug es ihn mit Familie von 1991 bis 94 auch nach Bolivien, wo er wie auch in Uganda Entwicklungsprojekte unterstützt, um die Not der Menschen zu lindern.

 

So widmet er die Hälfte der Spendensumme von 1.030 Euro einem Elendsviertel von Cochabamba in Bolivien, wo der Zustrom Landflüchtiger in die Metropolen immer größere Not hervorruft. Mit dem Geld sollen die Kinder eine Hausaufgabenbereuung und ein warmes Mittagessen erhalten. Die andere Spendenhälfte gibt Teresa Dieckmann einem jungen mittellosen Ägypter im Nil-Delta. Trotz Operation vor acht Jahren leidet er noch immer sehr unter seinen schrecklich krankhaften Krampfadern.