14. November 2016

Tischtennis-Spieler im Rollstuhl, kein Rollstuhl-Tischtennis-Spieler

Der ganz anders als gewohnt verlaufene 180. Talk im Bocksaal stand zunächst ganz im Zeichen der Trauer über den Tod Bernd Dassels, der die zur Leutkircher "Institution" gewordene Gesprächsreihe 2001 ins Leben rief und als Moderator bis 2012 persönlich prägte. Statt des üblichen Kurzfilms zur Einstimmung auf den Gast erschien ein Schwarz-Weiß-Bild des Verstorbenen. Der veranstaltende VHS-Leiter Karl-Anton Maucher betonte in seiner Ansprache, dass es für das Team große Verpflichtung sei, alles dafür zu tun, dass die Reihe weiterlebt. Die Dassel seit den Anfängen musikalisch begleitende Jazzband "Just Friends" intonierte stilvoll und dezent Bernds Lieblingslied "Mercy Mercy Me".

Die überraschend schwach besuchte Veranstaltung erbrachte 300 Euro Saalspende. Der Gast Thomas Brüchle, der in Lindau wohnt, in Kressbronn als Lehrer in Vollzeit unterrichtet, "wenn man das als Lehrer einmal sagen darf", und beim SV Deuchelried in der Verbandsliga Tischtennis spielt, widmet das Geld der brasilianischen Organisation "Rio bewegt sich". Sie kümmert sich um das Schicksal von Straßenkindern, die davon leben und leben müssen, Blech zu sammeln und zu verkaufen. Während der Spiele hat man sie einfach für vier Wochen weggesperrt, damit niemand der Gäste aus aller Welt Notiz davon nehmen konnte, unter welch unsäglichen Bedingungen sie ihr Leben fristen müssen.

Die Saalgäste staunten Klötze, von dem jetzt 40-jährigen querschnittgelähmten Gast zu erfahren, dass er mit zehn anfing Tischtennis zu spielen, mit 17 vorübegehend aufhörte, um nach 18 Jahren mit 35 ein Comeback zu machen. Jetzt ist er Team-Weltmeister, Einzel-Europameister und zweifacher paralympischer Medaillengewinner von London 2012 ("die perfekten Spiele") und Rio de Janeiro 2016. Lausige zwei Punkte haben ihm "gegen den Chinesen" im Finale zu Gold gefehlt. Das wurmt den Tischtennisspieler im Rollstuhl, der partout nicht "Rollstuhl-Tischtennisspieler" genannt werden möchte, noch immer. Dennoch erfüllt ihn das silbrig glänzende zweite Edel- metall, das er den Saalgästen an orangenem Band präsentierte, sichtlich mit Stolz und Freude.

Warum er in jenem entscheidenden Finalspiel in der großen Halle vor 4000 bis 6000 Zuschauern fünf Punkte in Folge verlor, das will ihm selbst heute noch immer nicht in den Kopf. Er erinnerte sich, wie ihm nach dem Matchball zumute war: "Etwas leer im Kopf" blieb er minutenlang einfach sitzen. "Ziemlich elend", wie er hernach im Fernsehen sich selbst als ein Häufchen Elend sehen konnte. Nächstes Jahr aber soll es einen Lehrgang der Medaillengewinner geben, bei dem mit Unterstützung eines Mentalcoachs alles ganz tiefgründig aufgearbeitet werden soll.

Wann er den Schläger an den Nagel hängen wird, das steht in den Sternen. Er hält es mit Bayern-Kicker Philipp Lahm (TiB-Gast 2008), der ebenfalls selbst bestimmen will, wann der beste Zeitpunkt zum Aufhören gekommen ist. Dieses Jahr noch steht für Thomas Las Vegas an, wo es die US-Open geben wird. 2018 lockt ihn dann "in biblischem Alter" die nächste Weltmeisterschaft.

Auf das Thema Inklusion angesprochen, konstatierte Brüchle, dass wir in Deutschland "ganz weit weg davon" seien. Ganz anders als die USA, wo alles "ganz perfekt behindertengerecht" einge- richtet ist. In der Türkei hingegen würde man Behinderte "ganz einfach wegsperren", um sie aus dem öffentlichen Leben zu verbannen.

Der nächste TiB "Fernsehen macht schlau" mit Wieland Backes findet ausnahmsweise an einem Mittwoch, den 14. Dezember, in der Festhalle statt. Dabei wird auch die Spendensumme der TiB-Weihnachtsaktion 2016 bekanntgegeben, die in Kürze anläuft.