25. Juli 2016

Unfassliches Glück und Dummheit der Täter

Diese beiden Faktoren machte ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt (45) beim 176. Talk im ansprechend gut besuchten Bocksaal hauptsächlich dafür verantwortlich, dass es in Deutschland seit 2006 (Sommer-Märchen) bis heute "nur" zwei Todesopfer islamistisch motivierter terroristischer Gewalt zu beklagen gibt. Diese gehen auf eine Terrorattacke auf den Frankfurter Rhein-Main-Flughafen im Jahr 2011 zurück. Allerdings, so räumte er ein, würde ein solcher Anschlag wie der kürzlich auf der Strandpromenade von Nizza die Statistik schlagartig völlig auf den Kopf stellen. Die Saalspende von 486 Euro geht an den Verein HAYAT-Deutschland. Er hat sich der Deradikalisierung verschrieben, und zwar durch Präventionsarbeit.

Siedend heißer und brennend aktueller als dieser kann ein "Talk im Bock" nicht sein. Nach Nizza in einer einzigen Woche gleich drei mörderische Bluttaten allein in Bayern: das Axt-Attentat in einem Regionalzug in Würzburg-Heidungsfeld, der Amoklauf im Münchner OEZ und heute der Rucksackbomber, der sich am Rande eines Konzerts in Ansbach in die Luft sprengte und einige Besucher zum Teil schwer verwundete. Die bisher angenommene abstrakte Bedrohungslage ist ganz schnell konkret, wirklich erschreckend konkret geworden.

Dass die Wirkung des Ansbacher Sprengsatzes ziemlich verhalten blieb, erklärt der Baden-Badener Journalist damit, dass die Zutaten in die explosive Mixtur, wie zum Beispiel Benzin und Salzsäure, an der Tankstelle und in der Drogerie oder Apotheke überall leicht zu bekommen sind. Bomben des Kalibers, wie sie fast täglich in Irak, Afghanistan, Syrien und anderen muslimischen Ländern detonieren und Dutzende Menschen in den Tod reißen und zu Hunderten verletzen, würden mit spezielleren Chemikalien mit weitaus höherer Sprengkraft fachmännisch hergestellt.

In München gab es ein Aufatmen, als bekannt wurde, dass es ein Amoklauf und kein islamistischer Anschlag war. Die weit verbreitete besonders große Angst vor islamistischen Terror erklärt der Gast, der bereits auf zehnjährige Tätigkeit in seinem Metier rückblickt, damit, dass dieser Terror vollkommen unberechenbar sei. Die Geisteshaltung der Attentäter fußt auf der Annahme, dass Allah schon alles richtig gerichtet habe. Wenn ich seinen Auftrag erfülle, dann wartet ein weitaus besseres Leben auf mich. Und natürlich - wie könnte es auch anders sein - die 70 schönen Jungfrauen. Solche Vorstellung rufe echte Todessehnsucht hervor. Die Selbstmordtäter stünden Schlange. Sie drängeln sich darum, wer als erster bzw. als nächster zuschlagen darf.

Ob man die tatsächliche Bedrohung feststellen könne, wollte Moderator Andreas Müller wissen. Der Experte antwortete mit einer Frage: "Wie will man Bedrohung messen?" Es lasse sich einfach nicht berechnen, warum der abgelehnte, aber nicht abgeschobene, sondern geduldete syrische Asylsuchende nicht in Frankfurt, Berlin oder Hamburg losgeschlagen hat, sondern in dem beschaulich ruhigen mittelfränkischen Beamtenstädtchen Ansbach. Man kann nur vermuten: Vielleicht wegen der vielen amerikanischen Soldaten, die es dort gibt?

Was im Fall des Würzburger Axt-Attentäters ganz bedenklich und besonders bitter stimmt, sei, dass ihm wirklich alles zuteil wurde, was man zum Gelingen einer erfolgreichen Integration aufbringen und -bieten kann. Trotzdem habe er über lange Zeit ein Doppelleben geführt, sich perfekt auf die brutale Bluttat vorbereitet. Seine wirklich mustergültige Pflegefamilie, die sich rührend um den Burschen gekümmert habe, verdiene Mitleid und Hilfe.

TiB Nr. 177 soll mit von Leutkircher Köpfen erzählten "Geschichten aus dem Gäu" am 8. August vor dem "Bock" im Freien steigen, wenn der Wettergott mitmacht.