28. Mai 2013

Von der Kriegsfront an die Talk-Front: SPIEGEL-Reporter Christoph Reuter

Alle Achtung vor dem preisgekrönten Reporter, der als anerkannter Nahost-Experte so oft wie kein anderer in Syrien war und über viel Erfahrung und beste Landeskenntnis verfügt. Mit seiner Familie – seine Frau ist Deutsche, die er in Syrien kennen gelernt hat – in Beirut (Libanon) lebend, ist Christoph Reuter (45) letzten Samstag nach München gejettet, um am gestrigen Montag bei Raimund Haser im Bocksaal talken zu können. Was die Besucher im fast vollen Saal zu sehen und zu hören bekamen, war schockierend, pessimistisch und deprimierend. Mehrfach wurde sogar von einer “Apokalypse” gesprochen.
“Ich würde abhauen”, waren Raimund Hasers erste Worte tiefer Betroffenheit, als er auf die letzte Szene des Kurzfilms anspielte. Reuter war völlig fertig auf die Knie gesunken, als er in der Ecke eines Hauseingangs Zuflucht gefunden hatte. Gefragt, was ihn dort noch halten würde, diese schnelle Antwort: “Das Gefühl der Pflicht.” Pflicht bedeutet ihm ein absolutes Muss, nämlich “Zeugnis ablegen zu müssen, was dort in Syrien wirklich passiert”. Was dort wirklich schon passiert ist, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Ein irre gewordener Kämpfer habe eine Leiche der Hisbollah aufgeschnitten, die Lunge herausgerissen, hineingebissen und dann gebrüllt: “Wir werden euch alle fressen.” Er bestätigte auch die Wahrheit von Berichten von “Le Monde”, dass das Assad-Regime Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. Die Konzentration sei aber so “gering”, dass nicht alle Menschen wie bei den irakischen Kurden unter Saddam Hussein wie die Fliegen wegsterben, sondern “nur” rund 10 Prozent. Ziel solcher Einsätze sei es nämlich, Panik in der Bevölkerung zu schüren.
A und O von Reuters beruflichem Credo ist es, mit Ehrgeiz der Wahrheit auf den Grund zu gehen, um ihr zum Durchbruch zu verhelfen. Viele Wahrheiten dieses jetzt zweijährigen Krieges sind derart kurios und absurd, dass sie kaum glaubhaft wirken. Die Dienste eines einheimischen Rechercheurs, der “überall hin Kontakte hat”, kommen ihm sehr zustatten. Sie dienen letztlich auch seinem persönlichen Schutz.. So konnte nachgewiesen werden, dass es nicht das Militär von Präsident Baschar al-Assad ist, das sich bei Massakern selbst die Hände schmutzig machte. Es richte lediglich Sperrbezirke ein und sichere sie nach außen. Dann würden Freischärler eindringen, um wahllos Menschen unsäglich zu foltern und abzuschlachten. Reuter dazu wörtlich: “Das waren Nachbarn, die das Regime stützen.”
Die Perspektiven für eine Konfliktlösung seien, so der Reporter, denkbar schlecht. “Es ist zu spät”, lautet ganz lapidar seine Antwort auf die Frage, was bei der Genfer Konferenz herauskomme. Genf werde schon deshalb scheitern, weil Russland in Wahrheit keinerlei Interesse an einer Lösung habe.
Die Saalspende beträgt 1.250 Euro und wird durch Christoph Reuter persönlich an einen Arzt in Salmá übergeben, der der einzige verbliebene Arzt für die Bevölkerung in dieser Region ist.
Der nächste 143. TiB mit Prof. Paul Kirchhof zum Thema “Alles, was Recht ist” steigt am 24. Juni in der Festhalle. Raimund Haser übernimmt die Moderation.