26. Juni 2017

Was wirklich zählt auf dieser Welt

"Was wirklich zählt auf dieser Welt, bekommst du nicht für Geld", hat Udo Jürgens in einem seiner immergrünen frühen Songs dermaleinst gesungen. Birgit Schönharting, die im von Andreas Müller moderierten 185. Talk im mit nur 50 Gästen sehr mäßig besuchten Bocksaal zu Gast war, teilt diese Auffassung anscheinend, aber aus ganz anderen Motiven heraus. Jürgens meint damit Sehnsucht, Träume oder nachts das Rauschen der Bäume. Die aus Sindelfingen stammende Physiotherapeutin aber ist vom Idealismus des selbstlosen Einsatzes von Menschen für Menschen beseelt, die dringend der Hilfe bedürfen, wenn es in ihrem Zustand als Opfer brutaler Gewalt nur noch um eines geht: um Leben oder Tod.

Die Saalspende brachte die erstaunlich stattliche Summe von 533, 50 Euro, die zur einen Hälfte an Schönhartings weltweit tätige Organisation Medecines sans Frontieres (Ärzte ohne Grenzen) geht. Die andere Hälfte fließt in ein tansanisches Schulprojekt, für dessen Aufbau sie selbst schon über 40.000 Euro aufgebracht hat.

Nachdem die Leiterin eines zehnköpfigen physiotherapeutischen Teams ihre letzten zehn Monate in einem rekonstruktiven chirurgischen Krankenhaus im jordanischen Amman verbrachte, wo hoch spezialisierte Eingriffe vorgenommen werden, ist sie erst seit einer Woche wieder hierzulande in der Heimat. Das tut ihr gut, denn die im erstaunlich friedlichen nahöstlichen Königreich gewonnenen Eindrücke wollen erst einmal verarbeitet sein, auch weil das oft ein schwieriges Unterfangen ist. Von Jordanien nach Deutschland zu reisen, sei immer mit einem Kulturschock verbunden. Natürlich auch umgekehrt in entgegengesetzte Richtung, wenn es von hier zur "Insel des Friedens" geht, um die herum, vor allem in Syrien, "die Hölle tobt", und das gleich fünf Kilometer hinter der Grenze. Die Region sei von unglaublich viel Gewalt geprägt, was die vielen physisch und psychisch verletzten und verwundeten Kriegsopfer beweisen.

Die ständige Konfrontation mit den Folgen von Gewalt, Not und Elend will erst einmal verkraftet sein. Dazu sei es notwendig, zunächst einen professionellen Umgang zu erlernen, ohne den es nicht auszuhalten wäre, ohne an Leib und Seele Schaden zu nehmen. Vor Ort käme es entscheidend auch darauf an, möglichst viel von den Einheimischen zu lernen. Auch von erfahrenen Kollegen, beispielsweise wenn es darum gehe, schwer verwundeten Kriegsopfern operativ zu einer Verlängerung des Knochens zu verhelfen. Selbstverständlich sei die eigene Belastung ab und an so übermächtig stark, dass zumindest die Gefahr besteht, in tiefe Sinnkrisen zu verfallen. Um sie bewältigen zu können, stehe rund um die Uhr wertvolle psychologische Hilfestellung bereit, auch wenn sie nur fernmündlich aus Deutschland abgerufen werden kann.

Vom Moderator gefragt, ob die Richtung Europa emigrierenden Flüchtlinge überhaupt realistische Vorstellungen vom Leben auf unserem Kontinent hätten, antwortete der sympathische Gast: "Ich glaube erst mal nicht, wenn es die ersten sind, die im Zug ins Land, wo Milch und Honig fließt, unterwegs sind". In Anbetracht des lebensgefährlich hohen Risikos, das sie bewusst auf sich nehmen, wenn sie die halsbrecherische Fahrt im Schlauchboot über das Mittelmeer riskieren, lässt sich  erahnen, welch unermessliches Leid sie zu Hause durch Krieg und Bürgerkrieg und Terrorismus haben erdulden müssen.

Die nächste Veranstaltung gibt es bereits in einer Woche, am Montag, dem 3. Juli. Als Moderator erwartet Karl-Anton Maucher um 19:30 Uhr im Bocksaal den bekannten Schauspieler Steffen Schroeder. Der Titel: Kowalski und der Mörder. Ein TV-Kommissar als Vollzugshelfer im Knast.