11. April 2016

Ziemlich besch..., in so einem Shitstorm zu leben!

Das instrumentale Vorspiel der TiB-Jazzband "Just Friends" zum 173. Talk im Bocksaal, der bei wonnig schönem Frühlingswetter nur sehr mäßig besetzt war (160 Euro Saalspende an die Tierrechtsorganisation PETA), war erstmals um eine Attraktion reicher. Als Piano, Bass, Schlagzeug, Saxophon und Flügelhorn ausklangen, wurde ein exotisches "Instrument" immer dominierender: das Geläute Schweizer Kuhglocken.

Gegen sie ist die schon 30 Jahre in der Schweiz lebende gebürtige Holländerin und Multiaktivistin Nancy Holten (42)zu Felde gezogen. Nicht weil sie sich vom Glockenklang belästigt fühlt, sondern weil das Tragen der Glocken für sie Tierquälerei ist. Solches Engagement ging den Eidgenossen der 3600 Einwohner zählenden Gemeinde Gipf-Oberfrick im Kanton Aargau jedoch so über die Hutschnur, dass sie sich damit viele Feinde machte. Und die zahlten es ihr in jener Bürgerversammlung wieder heim, in der über ihren Einbürgerungsantrag abgestimmt wurde: 150 versammelte Bürger schmetterten ihn mit großer Mehrheit regelrecht ab: 101 Gegenstimmen, nur 49 Befürworter.

Zwei ihrer drei seit Geburt mit Schweizer Staatsbürgerschaft ausgestatteten Töchter, die Zwillinge, waren dabei, trösteten die Mutter, indem sie ihre Hand nahmen und ihr versicherten: "Mama, du bist Schweizerin, auch wenn die dagegen gestimmt haben". Nicht, wie sonst üblich, mit erhobener Hand, sondern in geheimer Abstimmung, die hurz zuvor beantragt und genehmigt worden war. Dabei wäre Nancy liebend gern eine Schweizerin mit Pass geworden. Von Moderator Andreas Müller nach den Motiven befragt, outete sie sich als "Gefühlsmensch", die sich den Pass halt einfach gewünscht habe und sehnlich wünschen würde. Und das von ganzem Herzen, denn die Schweiz sei ihr über all die Jahre zur Heimat geworden. So sei der Pass "eigentlich ganz logische Konsequenz". Sie schätze die dort existierende freiheitliche Demokratie, in der jeder das Recht hat, seine Meinung frei zu äußern, ferner die Sauberkeit des Landes und seine Integrität.

Für Holtens Anstand spricht, dass sie sich nach der Niederlage trotzdem artig für die faire Verhandlung bedankt hat, danach aber rausgegangen ist, um ihrem "Augenwasser" freien Lauf zu lassen. Inzwischen hat sie neuen Mut geschöpft und ist fest entschlossen, einen weiteren Versuch zu starten, auf anderem Weg doch noch den begehrten Pass zu erlangen, obwohl wegen ihres Engagements, u.a. auch gegen das Gebetsläuten der Kirchenglocken am frühen Morgen ("Bevormundung"), ein wahrer Shitstorm über sie hereingebrochen ist.

Das ist eine heftige anhaltende Welle der Empörung. Sie löst sich vom ursprünglichen Thema, um in reine Herabwürdigung auszuarten. Ganz konkret bedeutet das: Beschimpfungen, Beleidigungen, anonyme Briefe, Drohanrufe mit Kuhglockengeläute usw. Das alles habe ihr so massiv zugesetzt, dass sie fast "in den psychischen Burnout gelaufen" wäre. Sie musste polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen. Holten: "Es ist schade, dass man Angst haben muss, wenn man seine Meinung sagt".

Inzwischen ist der Shitstorm abgeflaut. Es gebe jetzt mehr Zuspruch für sie, ja sogar Anerkennung. Ferner versicherte die langhaarige Brünette: "Ich nehme nichts persönlich. Ich möchte keine Rache". Sogar Verständnis bringt sie für ihre Gegnerschaft auf. Die glaube nämlich, sie habe ihnen wegen ihrer vielfältigen Aktivitäten "etwas angetan".