Zum 220. Talk, den Nina Poelchau gewohnt intelligent und einfühlsam feinfühlig moderierte, fanden gut 60 Besucher in den halbvollen Bocksaal, um den in Freiburg gebürtigen Breisgauer Chefredakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung, Michael Ebert, der letztes Jahr auch als Romanautor auf sich aufmerksam machte, live zu erleben. Zu Beginn bezifferte Poelchau die bisherige Gesamtspendensumme seit 2001 mit 640.838 Euro. Die gestrige Saalspende erbrachte stattliche 878 Euro. Nach dem Willen des 1974 geborenen Gastes geht das Geld deshalb an "Ärzte ohne Grenzen", weil die segensreiche Organisation örtlich oder räumlich ungebunden nicht nur beispielsweise in Gaza oder im Jemen wirksam Hilfe leistet, sondern letztlich überall in der ganzen Welt.
Obwohl er selbst keineswegs kränkelte, wuchs Ebert in prekären Verhältnissen in einem Krankenhaus in Schramberg im Schwarzwald auf. In ärmlichen Verhältnissen lebend, hatte die Familie das große Glück, in einer preisgünstigen Personalwohnung des Krankenhauses einziehen zu dürfen, wo seine Mutter als Intensivschwester arbeitete. Wie im einführenden Kurzfilm zu sehen, ist das Hospital so weit heruntergekommen und weitgehend verwachsen, dass es an Dornröschens Schloss erinnert. Die zu zahlende Miete betrug 580 Mark. Trotzdem konnte Michael mitnichten mitreden, wenn seine Kameraden am Ende der großen Sommerferien vom verlebten Italienurlaub vorschwärmten.
Im Krankenhaus, erinnert sich der Gast, "war ich eine Art Maskottchen", das auch oft auf die Intensivstation "geschlappt" war. Dort auch oft eingeschlafen, musste er aber gehen, bevor Schichtwechsel war. Obwohl er viele Leute hat sterben sehen, was Gefühle von Unwohlsein verursachte, habe er bisher noch keinen toten Menschen in seinem Leben gesehen.
Seine gewiss nicht immer leichte Lebensgeschichte ließ der renommierte Journalist in seinen letztes Jahr erschienenen Roman mit dem Titel "Nicht von dieser Welt" (Verlag Penguin) einfließen. Das viel beachtete Buch stieß durchweg auf positive Kritiken. So war es zum Beispiel der namhafte Musiker und Schauspieler Herbert Grönemeyer, der das entlang seiner eigenen Lebenslinie erzählte Werk mit diesen Worten bedachte: "Ein amüsantes, skurriles, warmherziges Aufbruchsbuch". Zu Beginn der zweiten Gesprächsrunde des Talks bescherte der Gast seinem Publikum eine spannungsreiche kürzere Lesung aus seinem Debütroman, was ihm mit Sonderbeifall belohnt wurde. Von lautlos ertrunkenen aufgedunsenen Leichen, von Mountainbikern mit großflächigen Schürfwunden, von an den Händen verwundeten Handwerkern oder von vor Schmerzen schreienden Motorradlern war da zum Beispiel die Rede. Trotz aller Pein sind sie vorallem daran interessiert zu erfahren, ob ihre Maschinen noch in Ordnung sind und wo sie sich befinden. Zur Beruhigung gibt ein Lügner vor, sie gesehen zu haben und beruhigt damit, dass sie "eigentlich noch ganz gut aussehe". Eindringlich markant und nachhaltig dann diese Worte des Autors: "Früher war Sterben Teil des Todes, heute ist Sterben Teil des Lebens". Atemlose Stille im Saal.
Vor zwei Jahren verstarb Eberts Vater, was ihn zu seinem Buch veranlasste. Man habe gewusst, dass er bald sterben werde unf fühlte sich auch darauf vorbereitet. Dann kommt er, der Tod, und "zieht einem den Boden unter den Füßen weg". Das Buch - Nina Poelchau spricht von "Wahnsinnsbuch, total lesenswert" - entstand zumeist abends und nachts zwischen 21 und 1 Uhr. Wie Ebert meint, schlummere in jedem Journalisten der Wunsch, "einmal die Seiten zum Schriftsteller zu wechseln".
Ebert zeigt sich zufrieden darüber, dass der Verlag mit dem Buch zufrieden ist, seine Mamma auch. Der Verlag habe keine Miesen damit gemacht. Als er sein Buch an den Verlag verkaufte, gab es zunächst einen sicheren Vorschuss. Verkauft sich das Buch dann gut, gibt es für jedes verkaufte Exemplar einen gewissen Festbetrag.
Das niveauvolle SZ-Magazin, dem Ebert als Chefredakteur vorsteht, wurde 1990 aus der Taufe gehoben. Darüber höchst freudig: "Ich hab einen viel schöneren Job als alle anderen bei der Süddeutschen". Besonders attraktiv und interessant seien die Stadtgespräche mit Leuten, die beispielsweise in Kiew oder Tel Aviv und dadurch aus dem Nähkästchen plaudern können. Ihre Geschichten sind höchst eindrucksvoll, weil ungemein anrührend.
Ihn als eine Edelfeder zu bezeichnen, behagt Ebert nicht sonderlich. In der abschließenden Fragerunde wird er aus dem Publikum gefragt, ob er ein Kopf- oder ein Bauchmensch sei. Ganz kurz mit einer Antwort zögerlich, stößt er zur Freude der Leute wie aus der Pistole geschossen kurz und trocken aus: "Ich bin ein Bopf".