13. August 2019

Erlesene talkende Triole

Der heuer ganz und gar nicht liebe Wettergott machte Leutkirch am gestrigen Montag dermaßen nass, dass TiB 202 nicht open-air vor'm Bock stattfinden konnte, sondern in der trockenen Festhalle stattfinden musste, die mit rund 400 Besuchern prächtig gefüllt war. Die stattliche Spendensumme von 3.100 Euro geht an das Leutkircher Hospiz Ursula, deren Leiterin Evelyn Mauch zu Tränen der Freude gerührt war.

Die Krankenkassen würden lediglich 95 Prozent der Betreuungskosten eines Patienten erstatten, erklärte sie. Die restlichen 5 Prozent "müssen wir aus Spenden bestreiten, müssen immer gucken, woher wir die holen". Von Moderator Karl-Anton Maucher befragt "Wie war der Start? Wie fängt man sowas an im Hospiz?" spricht die erst seit kurzer Zeit amtierende 40-Jährige davon, dass es schön ist, wenn die Familie dabei ist, wenn ein neuer Gast kommt. Viele von ihnen kämen per Krankenwagen aus dem Krankenhaus. Die von ihr geleitete Einrichtung für Sterbebegleitung bietet für acht Gäste Platz. In jedem Einzelfall bedürfe es einer ärztlichen Verordnung darüber, wie man miteinander umzugehen hat. Wer altersspezifisch im Sterben liege, "ist eigentlich kein Fall für das Hospiz, ambulante geht immer vor stationäre Behandlung". Erst wenn die ambulante Hospizgruppe am Ende ihres Lateins sei, "dann greifen wir ein". Weil in heutiger Zeit viele Gäste keine Angehörigen haben, "binden wir Zugehörige (Verwandte, Freunde) in unser Behandlungskonzept ein". Die Wahl dieses schwierigen Berufs begründet Mauch damit: "Es liegt mir, mit Tod und Sterben umzugehen, deshalb ist das mein Ding". Es sei immer ein gutes Gefühl, wenn man nach dem Tod eines Gastes guten Gewissens sagen kann: Wir haben die letzten Tage alles für ihn gegeben. Einst eine echte Wasserratte, später als Triathletin eine passionierte Ausdauersportlerin, ereilte sie 2011 persönlich "die Pest". Durch einen Verkehrsunfall schwer vom Rennrad gestürzt, stellte sich eine inkomplette Querschnittslähmung heraus. Weil die Muskulatur ihres Körpers nur unausgewogen funktioniert, ist sie an den Rollstuhl gebunden. So kann man sagen, dass sie zwar hingefallen, aber in bewundernswerter Weise wieder aufgestanden ist.

Aus Gründen der Aktualität drehte sich Karl-Anton Mauchers zweite Talkrunde mit dem 64-jährigen Leutkircher Urgestein, Gemeinderat, Unternehmer und Brauereibesitzer Gottfried Härle (Bild rechts)zunächst um die gerichtlichen Auseinandersetzungen, ob er seine wirklich sehr bekömmlichen Biere als "bekömmlich" bewerben dürfe. Er prozessierte durch die Instanzen bis hinauf zum Bundesgerichtshof. Obwohl er den Kürzeren zog, bleibt er dabei, dass seine süffigen Gerstensäfte echt bekömmlich seien. Das Wort bedeute nämlich mitnichten, "dass man Alkoholiker werden soll". Man spürte: der Brauereibesitzer schwimmt auf einer Woge sympathisierender Zuneigung. Ähnlich verhält es sich mit seinem Umgang mit Flüchtlingen. 2015 habe er den ersten Gambier in seine Brauerei eingestellt, jetzt seien es schon fünf Flüchtlinge aus Gambia, Syrien, dem Irak und Kamerun. Das Auditorium quittiert seine Aussagen mit einem Beifallssturm. Ohne Wenn und Aber verficht Härle seine Grundüberzeugung: "Das kann ja nicht sein: Wir beschäftigen Leute, integrieren sie dadurch, dann kommt der Ablehnungsbescheid. Des kann nett sein! Wenn sie arbeiten, Steuern zahlen, integriert sind und dennoch abgeschoben werden, das ist ein Skandal!" Erneuter stürmischer Applaus. Ihren Beitrag zur Erreichung von Klimaneutralität leistet Härles Privatbrauerei auch. "Wir kompensieren unsere CO2-Emissionen, indem wir jährlich acht- bis zehntausend Euro bezahlen". "Nachhaltigkeit" als Begriff mag der grüne Stadtrat eigentlich nicht. Ein Unternehmer, so seine Überzeugung, habe jenseits von Gewinnstreben auch psychologisch und sozial Mitverantwortung für seine Leute. Ganz wichtig sei es, dass keiner mit 50 Lebensjahren als nicht mehr brauchbares altes Eisen entlassen und links liegen gelassen wird. Als kommunalpolitischer "Platzhirsch" 30 Jahre im Stadtrat tätig, setzt er als großes Ziel, und zwar über die Fraktionsgrenzen hinweg: Gemeinsam müssen wir alles tun, um unsere Stadt wirklich voranzubringen.

Der in Leutkirch musikalisch groß gewordene, jetzt als Solofagottist der Jenaer Philharmonie tätige Manfred Baumgärtner (linkes Bild)nutzte die Rückreise aus dem Urlaub in das "grüne Herz Deutschlands" zu einem Zwischenstop, um in der alten Heimat diesen Talk zu bestreiten. Mit viel Charme und noch mehr humorigem Witz wie ein Wasserfall den Moderator fast unter den Tisch plaudernd, klärte er auf. Ein professioneller Orchestermusiker wie er sei städtischer Angestellter. Habe damit den Oberbürgermeister als Chef und genieße geregelte Arbeitszeiten. Lebhaft ausladend gestikulierend, erfährt man, dass er eine einjährige Probezeit erfolgreich durchlaufen musste. Der Dirigent "macht wie ein Fernregler die große Architektur, die Innenarchitektur (80 Prozent der Entscheidungen) machen wir als Gruppe". Die Lösungen entstehen - zackzack - auf kurzem Dienstweg. Sein "ofenrohrartig klobiges hölzernes Blasrohr" namens Fagott nennt er "Hausfrau im Orchester". Man bemerke sie nämlich erst, wenn sie mal nicht da ist. Lachsalven aus dem Publikum. Bleibt zu hoffen, dass die Hausfrau des Orchesters immer so schön klingt, wie er im Festsaal sein Fagott singen ließ. Zuerst mit einem barocken Stück von Johann Sebastian Bach, dann in den Reihen der bewährten Jazzcombo "Just Friends". 

Der nächste Talk steigt am 16. September wieder in der Festhalle. Zu Gast ist der für's Wetter zuständige TV-Moderator Sven Plöger. Moderieren wird erneut Karl-Anton Maucher.