28. Juni 2022

Es grünt so grün mit grüner Präsidentin

Nach dem von Karl-Anton Maucher moderierten 208. Talk im Bock mit der grünen baden-württembergischen Landstagspräsidentin Muhterem Aras (56) lässt sich in Anlehnung an das "My fair Lady"-Lied "Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen" sagen: "Es grünt so grün mit grüner Präsidentin". Die Frage aus dem Publikum, ob die grüne Stuttgarter Politik mit Fahrverboten für Diesel-Verbrennern nicht doch ein wenig zu grün sei, beantwortete sie nämlich so: "In Anbetracht des Klimawandels kann Politik gar nicht grün genug sein".

 

Die aus dem türkischen "Hinteranatolien" stammende 56-jährige Politikern trat hierzulande aus bester Überzeugung der Partei der Grünen bei. Immer von dem sehnlichen Wunsch eines selbstbestimmten Lebens in Freiheit beseelt, bewog sie der Grünen Einsatz für Gleichberechtigung, in dieses politische Lager einzutreten. Zunächst in der Kommunalpolitik tätig, dann in der Landespolitik engagiert, ist der jetzigen Parlamentspräsidentin in Deutschland die parteiübergreifende Zusammenarbeit "ganz, ganz wichtig". Ihre Präsidentschaftschaft betrachtet sie als ganz hohe Auszeichnung, durch die sie mit Leidenschaft erfüllt wird.

 

Nach ihrer Heimat befragt, antwortete Aras: "Stuttgart, Deutschland, aber nicht mehr Türkei". Dort im ostanatolischen Elmaagac geboren und ihre frühe Kindheit verbringend, bevor es im Familienverbund in die Stadt "auf den Fildern" ging, gehörte sie im Herkunftsland selbst der benachteiligten Minderheit der Glaubensrichtung der Aleviten an. "Wenn man selbst Diskriminierung erfahren hat", zeigt sie sich fest überzeugt, "ist man viel mehr bereit, mit aller Kraft dagegen anzukämpfen".

 

Tief empfundenes Lob zollt sie den Deutschen und Europäern für die große Solidarität gegenüber den aus der Ukraine vor dem russischen Angriffskrieg Geflüchteten und ihre Bereitschaft, sie aufzunehmen.. Gleichwohl müsse man sich immer "ehrlich machen, die Dinge immer offen und ehrlich ansprechen". Während sie falsch verstandene Toleranz ablehnt, befürwortet sie echte Toleranz mit Nachdruck. Gegenüber Zuwanderern gehe es ganz wichtig darum, den Leuten gewünschte Zugänge zu öffnen. Es sei ein großer Fehler, Asylbewerber vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Wir müssten uns darauf einstellen, dass künftig weitere und immer größere Flüchtlingswellen ins Land schwappen werden.

 

Ärger übermannt die Präsidentin über in Deutschland lebende türkische Landsleute, wenn sie hier in gut organisierter rechtsstaatlicher Ordnung leben, aber den türkischen Autokraten Erdogan wählen, obwohl der die Rechte der Menschen immer weiter einschränke, sie selbst jedoch in keiner Weise davon betroffen sind. In keinem anderen Land mit türkischstämmiger Bevölkerung habe Erdogan soviel Zuspruch wie hierzulande, wo er es - sage und schreibe - auf 65 Prozent brachte. "Dafür habe ich 0,0 Verständnis".

 

Warum das so ist, wie es ist, erklärt sie damit, dass sich viele Türken in Deutschland als Bürger zweiter Klasse sehen. Daher würden sie voll darauf setzen, dass Erdogan mit Macht dagegen ankämpft. Sie stellt auch in Rechnung und wirft die Frage auf, warum wir Fehler gemacht haben, die dazu führten, dass Türken oft nicht völlig gleichberechtigt integriert sind.

 

Unsere grundrechtliche verfassungsrechtliche Werteordnung mit unverbrüchlichen Grund- und Menschenrechten weiß der eloquente Gast aus tiefster Überzeugung sehr zu schätzen. Den annähernd 100 Besuchern der Festhalle schreibt sie mit Nachdruck ins Stammbuch, dass Zuwanderer gleichberechtigter Teil der Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten sind. Ihre eigenen Kinder gehören bereits der 3. Generation in unserer weltoffenen Ordnung dar. Trotz aller vorhandener Unzulänglichkeiten sei schon vieles geschafft worden. Deswegen: "Das Glas ist nicht halbleer, es ist halbvoll".

 

Die Saalspende von 745 Euro geht an die Initiative "WIR im Allgäu", die unter dem Dach der Diakonie Kempten steht. Talk 209 findet am 8. August unter freiem Himmel nicht im, sondern vor'm "Bock" statt.