05. Juni 2018

Ich ganz, ganz allein ganz oben

Die Tatsache, dass er Bergsteiger und kein Fußballer geworden ist, erklärte der aus der Bielefelder Gegend Ostwestfalens stammende, jetzt jugendliche 25 Jährchen junge Jost Kobusch zur Gaudi des 150-köpfigen Publikums im fast voll besetzten Bocksaal so: "Ich habe kaum einen Ball, aber oft viel drauf be- kommen. Fußball, das ist einfach nicht mein Ding".

Dass er Solo-Bergsteiger geworden ist, hat viel damit zu tun, dass die Begriffe "einsam" und "allein" ganz verschiedene Paar Stiefel für ihn sind. Einsam sei er, wenn er Men- schen vermisse. Am Berg aber vermisse er niemanden. Dort fühle er sich wie in einem Tunnel und fest mit dem Berg verbunden. Außerdem habe er gar keine Zeit, am Berg einsam zu sein. Müsse er einmal im Basecamp längere Zeit allein in einem Zelt verharren, sei dort abgespannt und müde und könne trotzdem nicht schlafen, dann ermögliche es ja die moderne Technik, sich einen gespeicherten Film reinzuziehen, dadurch die Gedanken auf etwas ganz Anderes zu lenken. Auf über 8000 Meter knapp unter dem Gipfel der gefürchteten Annapurna sei es auch schon zu so skurrilen Zeitvertreib gekommen, mit einem Kollegen eine Partie Schach zu spielen.

Dass der Solo-Extrembergsteiger, nachdem er die Kletterwand in einem Bielefelder Sportparcours hinter sich gelassen hatte, als ersten Berg in alpiner Natur draußen einen Fünftausender ausgesucht und erklommen hat, hat mit einer seiner Grundeinstellungen zu tun. "Wenn ich weiß, das kann ich, ist es für mich nicht mehr reizvoll. Mich reizt es jedoch, etwas zu tun, von dem ich nicht weiß. ob ich es schaffe".

Von seinem halben Jahr als Gebirgsjäger bei der Bundeswehr erzählte er, dass es anfänglich eine Ehre war, in einer solchen Eliteeinheit dienen zu dürfen. Nach einem halben Jahr aber habe er den Spaß daran verloren, glücklich fühlte er sich ganz und gar nicht mehr. Denn mit einem MG hatte er ohnehin nichts am Hut. Und den Feuerstöße spuckenden sperrigen schweren Schießprügel den Berg hochtragen zu müssen, das empfindet er selbst heute noch als "nicht so schick".

Natürlich standen Kobuschs Nahtoderfahrungen im Mittelpunkt des Talks, denn sechsmal ist er dem Tod regelrecht von der Schippe gesprungen. Als er im Everest-Basislager sehenden Auges eine riesige Staublawine auf sich zurollen sah, hielt der Solo-Bergsteiger mit seiner Handykamera drauf. Das Video eilte flugs um die Welt, machte ihn schlagartig berühmt. Bis heute sollen es mehr als 30 Millionen User im Internet auf Youtube gesehen haben. Er selbst, so versicherte er, schaue den Streifen gar nicht mehr an. An allen Ecken und Kanten komme er mit dem Horrorereignis, das 18 Menschenleben forderte, in Berührung. Dass er selbst überlebte, erklärte er damit, "gut an der Peripherie positioniert gewesen zu sein". Von Schicksal zu sprechen, lehnt er ab. Vielmehr habe er halt Glück gehabt, dass er in der Hohlform einer Moräne so geschützt war, dass das Gros der Druckwelle über ihn hinweggerauscht sei, nachdem die tief abstürzende Lawine mit voller Wucht eingeschlagen habe und explodiert sei.

Moderatorin Jasmin Off stellte ihm diese Gretchen-Frage: "Bist Du religiös?" Vielsagend, die Antwort Kobuschs: "Wir haben da so unsere Regeln. Zu ihnen gehört, über zwei Dinge nicht zu sprechen: Politik und Religion".

Die Saalspende erbrachte 560 Euro. Sie gehen als Hilfe zu nachhaltiger Selbsthilfe an ein in österreichischer Hand befindliches Projekt in Nepal. Dort werden lokale Guys zu Skilehrern ausgebildet. So versucht man den wintersportlichen Tourismus anzukurbeln.

TiB 197 ist der Sommertalk 2018, der wie üblich unter freiem Himmel „vor'm Bock“ steigen soll. Termin ist Montag, der 6. August. Karl-Anton Maucher ist der Moderator dieses Sondertalks.