30. April 2024

In Auslandseinsätzen erprobter und erfahrener Polizeichef

Zum 221. Talk im Bock strömten so viele Leute in den Bocksaal, dass dessen 150 Sitzplätze restlos voll besetzt waren. Der von Joachim Rogosch interessant moderierte Talk entwickelte so viel Anziehungskraft, weil mit dem 51-jährigen ledigen Achim Staudenmeier der Leutkircher Polizeichef zu Gast war, der erst vor rund drei Wochen von einem einjährigen Auslandseinsatz aus Ramallah im Westjordanland 20 Kilometer nördlich von Jerusalem in die Heimat zurückkehrte. In den dortigen Palästinensergebieten gehörte er einer Mission der EU (Beratungsmission EUPOL COPPS) an. Ausgeschrieben lautet diese Abkürzung EU Coordinating Office for Palestinian Police Support. Die deutsche Bezeichnung lautet Polizeimission der Europäischen Union für die palästinesischen Gebiete. Ihr Ziel besteht darin, eine funktionierende palästinensische Polizei und ein rechtsstaatliches Justizsystem aufzubauen. Der dortige Personalbestand umfasst 30 lokale Mitarbeiter und 53 internationale Polizeibeamte aus EU- und aus Drittstaaten. Die Mission dient einer palästinensischen Selbstverwaltung für einen hoffentlich bald entstehenden Staat Palästina im Rahmen der anzustrebenden Zweistaaten-Lösung zur Schaffung einer friedlichen Zukunft in der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und Israel.

 

Statt des üblichen einleitenden Kurzfilms zur Vorstellung des Gastes stimmte dieser mit mitgebrachten Bildern aus Nahost in den überaus spannenden Abend ein. Darauf war beispielsweise zu sehen, wie sofort nach dem bestialischen, vom Gazastreifen aus verübten Überfall der radikalislamistischen Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober auf den Süden Israels, wo mehr als 1.100 Israelis regelrecht abgeschlachtet wurden, die weiß-blauen Flaggen mit dem Davidstern wie Pilze aus dem Boden schossen. Bis heute sollen sich noch immer bis zu 130 nach Gaza verschleppte Geiseln in der Haft der Hamas befinden. Unklar ist, wieviele davon schon zu Tode gekommen sind. Wie der Polizeichef informierte, ist der Gazastreifen, in dem viele Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht unter unsäglichen Bedingungen in Ruinen mehr vegetieren als leben, etwa halb so groß wie Berlin. Die Distanz von Ramallah nach Gaza beträgt nur 85 Kilometer.

 

Der Gast erlebte am Dienstag, den 7. Oktober, wo es immer noch heiß, aber nicht mehr so heiß wie im Sommer bei 45 Grad war, die kriegerischen Terrorattacken der Hamas. Exakt 50 Jahre zuvor, im Oktober 1973, führte Israel den Jom-Kippur-Krieg erfolgreich gegen seine verfeindeten arabischen Nachbarstaaten. Mit eigenen Augen sah er, wie israelische Abfangraketen anfliegende Hamas-Raketen vom Himmel holten, die sogar Jerusalem hätten erreichen können. Das Krachen von Detonationen machte ihm klar: "Da ist was Größeres im Gange". Rogoschs Frage, ob er Angst um sein Leben hatte, verneint er entschieden genauso wie eventuelle Gedanken an vorzeitige Heimkehr. Nach 8 Tagen fuhr er wieder vom Wohnort Jeruslem nach Ramallah zur Arbeit. Wäre eine Evakuierung nötig geworden, hätte der Luftweg vom Airport Ben Gurion bestanden, aber auch der Landweg über Jericho in die jordanische Hauptstadt Amann.

 

Seit 7. Oktober bis auf den heutigen Tag "hat sich nichts normalisiert, alles ist noch schlimmer" muss das Auditorium zur Kenntnis nehmen. Überraschenderweise, gab sich Staudenmeier überzeugt, sei eine Lösung für Gaza vorstellbarer als für das Westjordanland, wo sich die Gesamtlage wesentlich komplizierter darstelle. Die Menschen seien zwar keineswegs zufrieden, jedoch könne man mit der Situation leben. Ein wirklicher Wille zur Verändeung sei mitnichten vorhanden. Solche Worte haben Gewicht, da sie ein Mann spricht, der über frühere Auslandserfahrungen in der Ukraine, im Kosovo und Bosnien-Herzegowina verfügt. Gerechtigkeit schaffen zu helfen, gab er als sein großes Lebensziel an.

 

Die Saalspende betrug 1.455 Euro. Das Geld geht an eine arabische Jugendorganisation, die sich des Schicksals traumatisierter Menschen annimmt.