20. Dezember 2022

Multirollig theatralisch spielender Schauspieler und Kabarettist

Im 211. und letzten TiB des Jahres, den Nina Poelchau vor rund 100 Besuchern in der Festhalle moderierte, war der 56-Jährige, in Weingarten geborene und heute auf dem Land nahe dem oberschwäbischen Baienfurt im mittleren Schussental lebende bodenständige Oberschwabe Uli Boettcher zu Gast. Im dortigen in einer alten Scheune eingerichteten Hoftheater, einer sehr gefragten und beliebten Kleinkunstbühne, frönt er seinen vielfältigen Künsten. Er hat sich seinen bekannten Namen damit gemacht, dass er offenbar jede Rolle spielt. Selbst einen im Adamskostüm aus nackter Haut und Haaren erscheinenden Gorilla-Häuptling hat er im Programm "Ü50 - Silberrücken im Nebel" schon gespielt, wo er dank Erscheinung, Kraft und Erfahrung für Sicherheit und Wohlergehen der ganzen brüllenden Affenbande verantwortlich zeichnet.

 

Was seinen bisherigen Werdegang betrifft, gibt der Meister des kleinkünstlerischen Mehrkampfs unumwunden zu, einst in der Schule eine ziemliche Niete, in Latein und Mathematik gar eine echte Flasche gewesen zu sein. Weil er sich in der 10. Klasse des Gymnasiums für einen der beiden möglichen Zweige, in denen just diese "Lieblingsfächer" die erste Geige spielten, zu entscheiden hatte, er sich aber partout nicht entscheiden konnte, machte er sich vom schulischen Acker, um sich alsogleich nach einer Lehre umzusehen. Obwohl er eigentlich "nicht sauber zeichnen" konnte, wollte er Grafiker oder Illustrator werden. Ein Beamtenkopf im Arbeitsamt, so Boettcher, habe ihm jedoch allen Ernstes zu einer Malerlehre geraten, weil, ja weil doch eine Malerlehre auch mit Farben zu tun habe. Wer schon möchte das wirklich bestreiten?

 

Nachdem sein Auszug aus dem Elternhaus vollzogen war, mietete er sich 18-jährig für die lange Lehrzeit von dreieinhalb Jahren in eine "WG für Frühgescheiterte" ein. Ein wesentliches Geständnis von ihm: "Ich bin nicht gut, wenn ich was tun soll, was mich nicht interessiert". In schnoddrig humorigen Tonfall: "Seit jugendlich schulischen Zeiten habe ich nebenher Theater mitgespielt". Mit dem ersten Abend- und Soloprogramm "Romeo und Julia" gelang ihm der "Durchbruch auf eine andere Ebene" Im Fernsehen war er dann auch bald zusehen, und zwar im "Tatort" mit Titel "Hämmerle und Leibssle". 2011 eröffnete er sein Hoftheater. Aufwendig ausgebaut bietet der 200 Jahre alte Bauernhof 200 Plätze. Jährlich gibt es um die 200 Aufführungen.

 

In der 2. Runde des Talks lieferte der Gast eine amüsante kabarettistische Einlage zum Thema "Fake News", das auf einem Menschen namens Trump basiert. Dass wir so leicht darauf reinfallen, zeigt er sich sicher, das "liegt an unserer falschen Erziehung". So wurde Kindern eingeimpft, dass Wasser nach dem Verzehr von Stein- und Kernobst zu Bauchweh und Blähungen, zu Krankenhaus und Magenauspumpen und zu ganz Herausnehmen führe. Ähnlich sei es mit Kaugummi, trichterte ihm die Oma ein, der deinen Magen zusammenpeppt. Die stockkatholische Oma schüchterte ihn auf der religiösen Schiene ein: "Pass' bloß auf. Wenn du gähnst ohne Hand vor dem Mund, dann fahrt dir der Teifel rein". Heintjes Lied "Oma so gut, Oma so nett, ach wenn ich dich meine Oma nicht hätt'" sang Boettcher nicht.

 

Im zarten Alter von zehn setzten Ulis Forschungsreisen zum Körper im Schrank ein, um zu erforschen, was es da zu erforschen gibt. Mitten in der Forschungstätigkeit springt plötzlich die Schranktür auf und wer starrt herein? Die Oma mit einem Gesicht wie das weltberühmte Schreckensgesicht auf Edvard Munchs Gemälde "Der Schrei". Sie schreit: "Bist Du verrückt? Da löst sich doch das Rückgrat auf und Du bewegst dich dann wie eine Schnecke"! Sonderbeifall mit schallendem Gelächter.

 

Über die Herausforderung, in schweren Zeiten lustig zu bleiben, sprechend, gibt Boettcher einen ganzen Schwall von wohl als Antworten gedachten Äußerungen von sich. U.a. über einen seiner Auftritte in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt. Dort waren vorab nur ganze sieben Tickets verkauft, das Publikum jedoch zählte 9 Köpfe. "Ich war erstmals dort, gehe aber nie wieder hin". Die Frage, ob wir lachen und Kabarett machen dürfen, wenn Paris von terroristischen Attacken heimgesucht wird, bejaht er aus tiefer Überzeugung: "Natürlich, wir dürfen, ja wir müssen lachen, sonst wären wir ja Unmenschen".

 

Die Saalspende erbrachte 1.085 Euro. Sie gehen an die Kinderstiftung nach Ravensburg. Diese unterstützt Familien mit Kindern in prekären Situationen. Das Geld kommt dort an, wo es wirklich dringend gebraucht wird, weil man sich manches einfach nicht leisten. Beispielsweise die Kosten für einen Schulausflug der Kinder.