22. Juli 2013

Stefan Rochow

Ehem. NPD-Funktionär

Ich war ein Neonazi

Der Weg vom Saulus zum Paulus

Dieser Weg war kein einfacher. Sich aus der Umklammerung der NPD und der Neonazis zu befreien, vom Gesinnungsgenossen zum Feind zu mutieren, mit Drohungen leben zu müssen und dennoch nicht abzutauchen, dazu gehören Mut und Standhaftigkeit. Stefan Rochow (36) war Funktionär in der rechtsextremen NPD. Er galt jahrelang als der wohl „wichtigste Nachwuchsfunktionär“ (Die Welt) in der NPD, war u.a. Mitglied des NPD-Parteivorstandes, Bundesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN) – der Jugendorganisation der NPD -, Berater der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und zuletzt Pressesprecher der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Er kennt sie alle in der Spitze der Partei, die Scharfmacher Apfel, Pastörs und Schwerdt, und er kennt viele Extremisten und Glatzenträger, deren Gedankengut das des Dritten Reiches ist.
Heute hat er sich von all dem gelöst. Ein Saulus, der zum Paulus wurde. Ein Mann, der seinen neu entdeckten Glauben ernst nimmt, der konvertiert ist und sich als Katholik in vielen sozialen Projekten engagiert.
Bis er an diesen Punkt angekommen war, hatte Stefan Rochow schon einen langen Weg innerhalb des Rechtsextremismus zurückgelegt. Als Kind war er in einem christlichen, evangelischen Elternhaus aufgewachsen. Doch dann driftete er mehr und mehr in rechte Kreise ab. Er war fasziniert von der rechtsextremistischen Ideologie, von der Ablehnung der demokratischen Grundordnung, die er im Kern als verrottet ansah, von deren Wut auf die Demokratie und ihrer Bereitschaft, diesen Staat mit allen Mitteln zu verändern.
Dass er innerhalb der Partei Karriere machte, war eine fast zwangsläufige Folge – bis ihm erste Zweifel kamen. Der Anlass: Unverhofft und plötzlich kam er rund um die Berichterstattung über die Trauerfeierlichkeiten für Papst Johannes Paul II.  mit dem christlichen Glauben, den er bis dahin als "Judentum für Nichtjuden" und "artfremd" abgelehnt hatte, wieder in Berührung. Er las religiöse Bücher und blätterte in der Bibel. Und je mehr und je häufiger er darin las, umso größer wurden die Zweifel an seinem Weg.
Im Jahr 2008 brach er mit der Partei, legte alle Ämter nieder und trat aus. Der ehemalige Rechtsextremist studierte Betriebswirtschaft und absolvierte eine Zusatzausbildung zum Psychologischen Berater und Personal Coach. Er arbeitet heute als Betriebswirt und als freier Journalist. Seit 2011 studiert er Theologie an der Katholischen Akademie in Würzburg.
Über die Weltsicht der Neonazis, über vermeintliche Freunde und unverbesserliche Kameradschaften, über Hierarchien, Gewalt und die Verbindung zu den mutmaßlichen Mördern vom NSU sowie über die Gründe für seinen Ein- und die Umstände seines Ausstiegs hat Stefan Rochow im Bocksaal berichtet.

 

Presse:

Blix: August 2013SZ: Mittwoch, 24. Juli 2013SZ: Mittwoch, 24. Juli 2013