24. November 2008

Svenja Flaßpöhler

Autorin

Der Tod: ein Segen?

Sterbehilfe aus der Nähe erlebt

Svenja Flaßpöhler (33) ist dabei gewesen, zweimal in Zürich. Zweimal, als Menschen starben, deren größter Wunsch es war, sterben zu können. Und die sich deshalb der Sterbehilfe der Schweizer Organisation Exit versichert haben. Ein müder, alter Mann der eine, 83, herzkrank, des Lebens überdrüssig; ein ALS-Kranker der andere, erst 55 Jahre alt, willens zu sterben, denn wer unter dieser Muskelschwächekrankheit leidet, geht elendig zugrunde und erstickt schließlich. Jörg Immendorf, der Maler, war in jüngster Zeit das prominenteste Opfer; durch seinen Fall wurde ALS einer breiten Öffentlichkeit bewusst.Svenja Flaßpöhler beschreibt die beiden Freitodbegleitungen bei Exit in ihrem Buch "Mein Wille geschehe - Sterben in Zeiten der Freitodhilfe" (Verlag wjs). Und sie notiert Ablauf und Szenarien in einer Art und Weise, dass einem der Atem stockt. Die Gespräche mit den Sterbewilligen, die Auseinandersetzung mit Argumentation und Motivation der Sterbehelfer, die Rolle der Verwandten und Freunde, die sich zum letzten Abschiednehmen in Zürich in der Geschäftsstelle von Exit eingefunden haben: All das ist wahrlich starker Tobak. Dabei bezieht die Autorin nicht Stellung für oder gegen Sterbehilfe, sondern sie überlässt es dem Betrachter, sich ein Urteil zu bilden - so wie sie es dem Zuhörer beim "Talk im Bock" überlassen wird, ob er Sterbehilfe und Freitod nun für einen Segen und für pure Erlösung hält oder für einen Fluch, mit dem dem Herrgott ins Handwerk gepfuscht wird.Das Phänomen Freitod hat Svenja Flaßpöhler aber nicht allein anhand dieser beiden selbst erlebten Fälle aufgegriffen; vielmehr hat sie sich dem Freitod auch kulturgeschichtlich angenähert und erforscht, wie unterschiedlich in diversen Epochen die Einstellung zum Suizid war.Sterbehilfe und Freitod - über lange Zeit ein gesellschaftliches Tabuthema. Doch spätestens, seit die beiden Schweizer Organisationen Exit und Dignitas in den Fokus öffentlichen Interesses geraten sind, ein Thema, das hohe Wellen schlägt und stark polarisiert. Am 24. November hat sich der "Talk im Bock" damit befasst. Moderation: Bernd Dassel; Musik: Just Friends; Eintritt frei.