08. August 2005

Leutkircher Köpfe 2005

Harald Unmuth, Anja Janusch, Sylvia Schreiber, Oliver Herkommer

Geschichten aus dem Gäu

Über Kämpfe auf unterschiedlichsten Ebenen

Erst Junkie – jetzt Aufklärer
Harald Unmuth (51) hat ein Leben geführt zwischen High und Hölle. Zwischen Haschisch und Heroin. Zwischen Entzug und Entgiftung. Mit Rückfällen, die ihm fast jeglichen Lebensmut genommen haben. Er hat als 16jährige angefangen mit Zigaretten und Alkohol, hat danach weiche  Drogen probiert, ist dann auf Opium umgestiegen und, nach einem ersten Entzug, später wieder bei Alkohol und bei Amphetaminen gelandet. Er hat eine 30 Jahre lange Achterbahnfahrt hinter sich, die ihn fast in den körperlichen und psychischen Ruin trieb – bis er, mit knapp 40 Jahren, den Einstieg in den Ausstieg schaffte. Ein Methadonprogramm war seine Rettung; mittlerweile ist Harald Unmuth seit vier Jahren clean und sehr glücklich darüber. In der Zwischenzeit hat er eine Ausbildung als Suchthelfer abgeschlossen, klärt anhand seines eigenen Beispiels Schüler über die Gefahren des Drogenkonsums auf und arbeitet mit Selbsthilfegruppen Süchtiger. „Die Drogenszene vor unserer Haustür“, das weiß er aus eigener Anschauung, „ist keineswegs ausgetrocknet; sie ist permanent vorhanden und eine andauernde Gefahr!“

Im Rollstuhl auf Medaillenjagd
Anja Janusch (33) stellt sogar Lothar Matthäus, den Rekordnationalspieler, in den Schatten. Der hat 150 Länderspiele bestritten, Anja Janusch zehn mehr, nämlich 160. Allerdings nicht im Fußball, sondern im Rollstuhl-Basketball, denn Anja ist nach einem Verkehrsunfall seit 17 Jahren querschnittgelähmt. Zweimal ist sie Europameisterin gewesen, viermal hat sie an Paralympics teilgenommen (Barcelona, Atlanta, Sydney, Athen), doch ihr ganz großes Ziel – eine olympische Medaille – hat sie verpasst. Allerdings sie ist ein so positiv denkender  Mensch, dass Anderes diese Enttäuschung längst verdrängt hat, in erster Linie natürlich ihr mittlerweile zweieinhalbjähriger Sohn. Letztlich verdankt sie dem Sport freilich sogar die Existenz ihrer kleinen Familie, denn ihren Mann Armin hat sie beim Rollstuhl-Basketball in Ravensburg kennen gelernt – „ein Fußgänger“, wie sie sagt. So nennt man jene Rollstuhl-Basketballspieler, der sich völlig normal bewegen können und trotzdem in dieser Disziplin mitmachen. Die Liebe verbindet – auch die Liebe zum Sport: heute spielen die beiden gemeinsam in der II. Bundesliga-Mannschaft in Kaufbeuren.

Leutkirch - Europa und zurück
Sylvia Schreiber (48), immer noch Wochenend-Leutkircherin, kennt die Welt: 25 Jahre Journalismus im In- und Ausland. Sie hat Skandale und Affären aufgedeckt, viele wichtige Menschen interviewt und Reportagen geschrieben. Zunächst der Job der bei der Schwäbischen Zeitung – und gleich der erste Knaller: Theodor-Wolf-Preis für eine Auslandsreportage. Dann Studium in North Carolina, Fernsehen beim SWF in Baden-Baden und schließlich, 1991: DER SPIEGEL. Das Blatt, zu dem alle wollen und nur wenige kommen. Sylvia Schreiber hat’s geschafft, zuletzt, ab1999, war sie Europakorrespondentin in Brüssel, fünf Jahre lang. Und nun: Wieder Europa. Immer noch Brüssel. Gleicher Standort, andere Funktion: Botschafterin der Forschungsregion Stuttgart . Ein Büro, fünf Leute, eine klar definierte Aufgabe: Forschung, Innovation und Wissenstransfer aus Europa in die Region Stuttgart. Zwischendurch: ein bischen Journalismus. Talks mit Verheugen, Barroso, dem einen Botschafter und dem anderen. - Fünf Jahre noch Brüssel - und dann Bücher schreiben in Leutkirch: das wär’s, sagt Sylvia Schreiber. Die Zeit wird kommen.

Aug in Aug mit Maos Erben
Oliver Herkommer (38) wohnt in Leutkirch, führt gemeinsam mit seinem Bruder ein Ingenieurdienstleistungsunternehmen  in Ulm und ist ständig auf dem Weg nach China. Im Land von Maos Erben liegt die Zukunft auch manch deutscher Unternehmen, und vor allem die Automobilindustrie engagiert sich kräftig angesichts der Milliarden von potentiellen Kunden. Für Firmen wie BMW zum Beispiel hat Herkommers Firma eine Fabrik in Shenyang geplant, und weil die Geschäfte so gut laufen, wurde jetzt ein eigenes Büro in Shanghai eröffnet. „China – das bedeutet offen sein für viele neue Dinge“, sagt Oliver Herkommer. Aber auch: sich vorher genau über Sitten und Gebräuche zu informieren, um nicht von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten. Das bedeutet: die chinesischen Gesetze und Vorschriften zu kennen und zu akzeptieren. Und: Kontaktpflege. Spannend ist es alle male, sich in dieser Welt zu etablieren und zu behaupten.  Oliver Herkommers Erfahrungen werden das bestätigen.