01. November 2010

Nourig Apfeld

Autorin

In Angst

Zeugin des Ehrenmords an ihrer Schwester

Wenn die eigene Familie zum Todfeind wird, besteht das Leben vor allem aus Angst. Angst vor dem Tag, an dem man ungeschützt seinem Mörder gegenüber stehen könnte. Angst davor, sich ohne Body Guards in der Öffentlichkeit zu bewegen. Angst vor Attacken, denen man unvermittelt ausgesetzt sein kann. Nourig Apfeld lebt mit dieser Angst. Sie wird beschützt, damit sie nicht von Mitglieder ihrer Familie umgebracht wird. Dann Nourig Apfeld, geboren in Syrien, hat den Mut gehabt, den Ehrenmord an ihrer Schwester aufzudecken und den eigenen Vater anzuzeigen.
Nourig ist sieben Jahre alt, als sie mit ihrer Familie nach Deutschland kommt. Schon bald rebelliert ihre Schwester Waffa gegen die strengen Regeln der muslimischen Eltern. Diesen Freiheitsdrang bezahlt sie nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit ihrem Leben: 1993 wird sie von der eigenen Familie ermordet. Nourig wird gezwungen, den Mord mitanzusehen, und flieht – aus Angst, dass ihr das gleiche Schicksal droht.
Mit starkem Willen und unerschütterlicher Zuversicht kämpft Nourig für einen Neuanfang und studiert Medizin. Doch nach vielen Jahren wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt; Polizeibeamte fangen Nourig auf dem Weg zur Arbeit ab und nötigen sie zu einer Aussage. Damit der deutsche Staat den Prozess gegen die Mörder ihrer Schwester eröffnen kann, wird ihr ein neues Leben im Rahmen des Zeugenschutzprogramms zugesagt, doch nach ihrer Aussage und der Verurteilung ihres Vaters wird das Versprechen, ihr eine neue Identität zu geben, nicht eingelöst. Wieder ist Nourig auf der Flucht vor der Rache ihrer Familie.
Dennoch entschliesst sie sich, ihren Fall öffentlich zu machen. Sie schreibt ein Buch mit dem Titel „Ich bin Zeugin des Ehrenmords an meiner Schwester“ (Wunderlich-Verlag). Es ist ein erschütterndes Zeugnis über den misslungenen Versuch einer Familie, sich in Deutschland zu integrieren. Er führt Nourigs Eltern zurück zu den archaischen Gesetzen islamischer Traditionen und zu dramatischer Auflehnung gegen westliche Einflüsse. Da Waffa, Nourigs jüngere Schwester, dagegen rebelliert und sich den Vorstellungen der Eltern nicht fügt, muss sie sterben.
Wie Nourig Apfeld viele Jahre mit dem Wissen um den gewaltsamen Tod ihrer Schwester leben konnte; wie ihr Umgang mit dem eigenen Vater war, der zu acht Jahren Haft verurteilt worden ist; wie sie mit der ständigen Angst um Leib und Leben zurecht kommt, darüber hat sie am 1. November beim „Talk im Bock“ gesprochen.


Dateien:
apfeld01.jpg150 Ki
apfeld02.jpg266 Ki
apfeld03.jpg560 Ki