24. Oktober 2005

Gisela Friedrichsen

SPIEGEL-Reporterin; Autorin

Justitias Chronistin

Über Prozesse, Richter und Gerichtete

Wenn die großen Prozesse anstehen, ist sie dabei - meistens. Bei Honecker; bei <st1:personname>Jörg </st1:personname>Immendorf, dem Maler; beim Verfahren gegen den Metzler-Mörder. Sie macht sich seit 15 Jahren ihr eigenes Bild - Gisela Friedrichsen, die Gerichtsreporterin des SPIEGEL, Nachfolgerin des legendären Gerhard Mauz. Ein Bild von Angeklagten und Anklägern, von Anwälten und Zeugen; sie schaut sich im Umfeld der Täter um und in deren Familie. Sie seziert Verfahren häufig mit sauberen, klaren Schnitten: wo geschlampt worden ist bei den Ermittlungen; wo Richter Entscheidendes unberücksichtigt lassen bei ihrer Urteilsfindung; wo Psychologen Widersprüchliches zu Protokoll geben.Gisela Friedrichsen, die sich bei weitem nicht nur der spektakulären Fälle annimmt, sondern auch dort im Gerichtssaal auftaucht, wo man ansonsten Journalisten vergeblich sucht, hat ihren ganz eigenen Blickwinkel. Bernhard Schlink, Jurist und Autor des Welt-Bestsellers "Der Vorleser", urteilt, ihre SPIEGEL-Reportagen seien immer auch "Gesellschaftsanalyse, Kultur- und politische Zeitgeschichte". Und weil sie diesen anderen Blickwinkel hat und auch wagt, ihn offensiv zu vertreten, hat sie seinerzeit beim legendären Wormser Mißbrauchsprozess öffentlich frühzeitig die Schuld der Angeklagten in Zweifel gezogen - gegen viele Anfeindungen. Aber sie hat letztlich recht behalten.Gerichtsreportagen aus den Jahren 1989 bis 2004 hat sie zusammengefasst in dem Buch "Ich bin doch kein Mörder", das lange in den Bestsellerlisten stand.Was sie erlebt hat bei so manchen Prozessen, warum sie stets um eine andere Perspektive bemüht ist, was sie an manchen Juristen auszusetzen hat und welche Täter ihr im Nachhinein noch einen Schauer über den Rücken jagen, dazu nahm Gisela Friedrichsen am 24. Oktober beim "Talk im Bock" Stellung.