11. April 2005

Hanife Gashi

Mutter und Autorin

Mord - der Ehre wegen

Ulerika (16): vom eigenen Vater getötet

Gerade zwei Jahre ist es her, da ist Hanife Gashi das Schlimmste passiert, was einer Mutter widerfahren kann: Ihre Tochter ist umgebracht worden! Ulerika war 16 Jahre alt, ein junges, modernes Mädchen, das Pop-Musik hörte, sich flott gekleidet hat und einen Freund hatte. All das wollte ihr Vater nicht akzeptieren: Er war es, der Ulerika am Abend des 13. März 2003 im Haus der Familie in der Nähe von Tübingen erwürgt hat und die Leiche später in einem Baggersee versenkte. Es war ein Mord, um, wie es der Vater sah, die Ehre der Familie zu retten; Ulerika musste sterben, weil sie den albanischen Traditionen nicht entsprach, die ihr Vater hoch hielt. Sie war ihm, im Alter von zwei Jahren hierher gekommen mit ihrer vor dem Kosovo-Krieg nach Deutschland geflohenen Familie, zu westlich, zu modern. Und dass sie einen Freund hatte, der nicht Albaner war, sondern aus einer bosnischen Familie stammt, war das Schlimmste. Nach den konservativen Vorstellungen des Vaters sollte sie einen Albaner heiraten, den er ihr aussuchen wollte. Die Konflikte, die Ulerika und ihre liberal eingestellte Mutter über Jahre mit dem Vater austrugen, endeten schließlich in einer Katastrophe: die Tochter ermordet; der Vater lebenslänglich hinter Gittern; die Familie zerstört; die drei jüngeren Schwestern von Ulerika traumatisiert. Hanife Gashi hat sich lange der Trauer um ihre Tochter hingegeben, aber sich dann entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen: um Fälle wie Ulerikas bekannt zu machen; um zu helfen, dass der Terror der Zwangsverheiratung gebrandmarkt wird; dass junge Mädchen und Frauen ermutigt werden, sich zu wehren gegen Gewalt, Zwang und Rechtlosigkeit innerhalb der auf die Traditionen pochenden muslimischen Familien. Sie hat deshalb ein Buch über Ulerikas Schicksal und ihren eigenen Werdegang geschrieben ("Mein Schmerz trägt deinen Namen - ein Ehrenmord in Deutschland"), an einer TV-Dokumentation über Ulerikas Tod mitgewirkt und arbeitet nun aktiv bei einer Aufklärungskampagne der Frauenrechtsorgansiation "Terre des Femmes" mit.Am Montag, 11. April, sprachHanife Gashi beim TiB über ihr schweres Schicksal, ihren Mut, trotz Morddrohungen aus der Familie ihres Mannes weiterhin die Öffentlichkeit zu suchen, und über die Verpflichtung, die sie ihrer Tochter gegenüber verspürt, diesen Aufklärungskampf konsequent weiter zu führen.