06. August 2007

Leutkircher Köpfe 2007

Roederer, Kempter, Scharpf, Geiger

Geschichten aus dem Gäu

Total lokal und weiter weg

In höheren Sphären

Maren Christina Roederer kommt weit herum. Italien, Polen, St. Petersburg, aber auch Dresden, Hamburg, Schwerin, München: Sie ist auf zahlreichen Bühnen zu Hause. Die Sopranistin aus Leutkirch lebt seit ihrem Gesangsstudium in Rostock. Ostsee statt Allgäu; Wasser statt Berge; mecklenburgische Schwere statt schwäbischer Leichtigkeit. Als freischaffende Sängerin ist Maren Christina Roederer engagiert bei Fernsehen und Rundfunk ebenso wie bei vielen Festivals; sie gibt Liederabende, singt Oratorien und wird von Komponisten zu Ur- und Erstaufführungen gebeten. In diesem Jahr stehen zahlreiche Konzerte u.a. mit Ludwig Güttler, mit dem RSO Berlin sowie die Greifswalder Bachwoche auf dem Programm und – fast ein Heimspiel! - auch „Carmina Burana“ von Carl Orff in Wangen. Angefangen hatte alles damit, dass der Klavierlehrerin Ursula Zerbe von der Jugendmusikschule Allgäu die großen stimmlichen Möglichkeiten ihrer Schülerin auffiel. Dabei war das Singen zunächst nicht Maren Christina Roederers erklärtes Ziel, doch dann hat sie sich überzeugen und die Stimme von Prof. Anthony Baldwin ausbilden lassen. Zum Glück, denn nun ist sie auf dem Weg in höhere Sphären – zu einer großen Gesangskarriere.

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Freund und Helfer

Anton Kempter (52). Der Polizist als nebenberuflicher Sozialarbeiter – so könnte man die Rolle von Anton Kempter beschreiben, Erster Polizeihauptkommissar und Leiter der Leutkircher Dienststelle. Er hat mit Freunden und Helfern ein Projekt zugunsten von jugendlichen Spätaussiedlern ins Leben gerufen, das bundesweit einmalig ist und um das Leutkirch von vielen Kommunen beneidet wird. Denn Kempter ist es gelungen, die jungen Leute von der Straße wegzubringen; ihnen eine Aufgabe und damit ihrem Leben einen Sinn zu geben. Die etwa 50 Jugendlichen werkeln seit über einem Jahr gemeinsam mit Leutkircher Handwerkern an „ihrem“ Jugendhaus – einem Gebäude in der Poststraße, das sie Etagenweise sanieren und zu ihrem Freizeittreff machen. Nichts mehr mit Schlägern und Saufen; nichts mehr mit Randale in Tiefgaragen und auf Spielplätzen. Stattdessen: Voller Einsatz für eine selbst gestaltete Zukunft. Anton Kempter und der Verein „Deine Power“ praktizieren damit ein Stück gelebter Integration. Und die Polizei, von den jungen Leuten früher bekämpft und gefürchtet, ist heute das, was sie sein soll und sein will: Freund und Helfer!

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Kunst-Geschichten

Manfred Scharpf (61) – ein Künstler, und doch ein Mensch wie du und ich. Nur eben kreativer. Einfallsreicher. Ein Mann von schier genialem malerischen Potential, ausgestattet zudem mit einem umwerfenden, Raum füllenden Lachen. Mitreißend. Was auch für seine Kunst gilt, für Gemälde wie für Projekte. Die sind immer mehr als reine Anschauungsmaterialien. „Heroes and Champions“ zum Beispiel (1993), eine Ausstellung und Performance im Hafen von New York auf dem Flugzeugträger Intrepid. Helden des Sports und auf der anderen Seite: Kriegsgerät. Oder „Venusbankette“ (1995/6) in Temelin: Nackte Frauen als Symbole der Schutzlosigkeit im Schatten eines Atomkraftwerks. Zuletzt (2005/6) der „Phoenix“-Zyklus: In Friedenszeiten die Aufarbeitung des Kriegsgrauens anhand von Funden aus abgestürzten Flugzeugen. Dazu Gemälde, Arrangements, Fotos, Dokumente. Scharpfs Werk ist eine stetige Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart. Und mit der Zukunft. Auch in Sachen Europa, seinem nächsten Projekt, das er in der EU-Hauptstadt Brüssel in Angriff nehmen wird. Und wo immer er tätig war: Seine Aktionen sind mit zahlreichen ungewöhnlichen Geschichten verbunden. Er wird darüber berichten.

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Viagra für den Warlord

Sepp Geiger (54) ist eigentlich Wochenend-Leutkircher. Denn die Woche über arbeitet er in seiner Heimat Bayern. Dass er Bayer ist, hört man bei jedem Wort. Die Menschen in Afghanistan oder in Pakistan, im Sudan, in Algerien oder in Sri Lanka werden das nicht sofort erkennen. Bei denen und mit denen macht er nämlich Geschäfte. Ingenieur Geiger führt eine Firma für Satelliten-Kommunikation, konstruiert Sicherheitstechnik und hat auch schon ein mobiles Hospital gebaut und verkauft. Und: Er hat jede Menge erlebt in jenen Ländern, die er regelmäßig besucht bzw. besuchte. Beispielsweise in Afghanistan zu Zeiten der Taliban, als einer der Warlords ihn bat, beim nächsten Besuch mal nicht Hustenpillen mitzubringen – die Geiger wegen des Klimas stets dabei hatte -, sondern ausnahmsweise Viagra, „wegen der drei Ehefrauen!“ Schmonzetten dieser Art hat Geiger zuhauf auf Lager, aber auch andere Erlebnisse, bei denen es wahrlich um Leib und Leben ging. Im August wird er den Wochenendbesuch bei seiner Ehefrau – Heidemarie Geiger ist Rechtsanwältin in Leutkirch – um einen Tag verlängern: um bei den „Leutkircher Köpfen“ für eine halbe Stunde ungewöhnlicher Unterhaltung zu sorgen.