24. Februar 2005

Otto Schwerdt

Ehemaliger KZ-Häftling

Auschwitz. Ein Überlebender.

Von Erinnerung, Versöhnung und Verantwortung

Auschwitz. Ein Name als Synonym für all die unfassbaren Verbrechen, derer sich die Nazis schuldig gemacht haben. Mehr als sechs Millionen Menschen ermordet; mehr als anderthalb Millionen allein in den Gaskammern des KZ Auschwitz. Vor einem Monat: der 60. Jahrestag der Befreiung. Russische Truppen hatten am 27. Januar 1945 die wenigen Insassen, die dem Nazi-Terror widerstanden hatten, in die Freiheit geführt. Zur Gedenkfeier wurden vor kurzem auch die heute noch Lebenden nach Auschwitz eingeladen - gemeinsam mit Staatschefs und Präsidenten aus vielen Ländern. Einer, der ebenfalls geladen war, fuhr nicht nach Auschwitz, sondern am gleichen Tag in eine Schule nach Unterhaching: Otto Schwerdt, mittlerweile 82 Jahre alt. Er hat, 1943 nach Auschwitz deportiert, gemeinsam mit seinem Vater überlebt, aber dort Mutter, Schwester und Bruder verloren. Und er hat sich zum Ziel gesetzt, aufzuklären, zu mahnen, zu berichten über das, was eigentlich unbeschreiblich ist. Er will die Jugend erreichen, damit sich nicht wiederholen kann, was damals geschehen ist. Und deshalb geht er häufig in Schulen zu Lesungen, Diskussionen, Gesprächen. Ein alter Herr, getrieben von der Hoffnung, dass die nachgewachsenen Generationen aus den Fehlern der Vorväter lernen; beseelt vom Gedanken der Versöhnung; getragen von einer Einstellung, die ihm verbietet zu hassen, und von einer Menschenliebe, die keine Bitterkeit zulässt.Otto Schwerdt hat Schreckliches durchlebt, bis er befreit wurde, und er hat Jahrzehnte gebraucht, um das Grauen in Worte fassen zu können. Erst vor einigen Jahren hat er seine Erlebnisse in den Buch "Als Gott und die Welt schliefen" gemeinsam mit seiner Tochter Mascha aufgeschrieben - Zeugnisse des Unfassbaren, von Qual und Grausamkeiten, von Erniedrigung und Entmenschlichung. Allein schon, wie Otto Schwerdt die Augen der Kinder beschreibt, die ihn anschauen, bevor sie ins Gas geschickt werden, steht sinnbildlich für die unvorstellbare Brutalität eines Systems, das über Leichen ging, millionenfach. Und die Selektion durch die SS an der Rampe - Daumen links: ins Gas!; Daumen rechts: arbeiten! - steht für die zynische Perfektion, mit der die Vernichtung der Juden organisiert wurde.Mahnen, warnen, aufrütteln: Otto Schwerdt, seit vielen Jahren auch Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, ist ein Mann mit einer unglaublich positiven Lebenseinstellung - trotz der schrecklichen Ereignisse in seiner ganz privaten Geschichte. Er hat beim TiB über das Sterben, Leben und Überleben im KZ gesprochen; auch darüber, wie er das alles verkraftet hat und über das, was ihn noch heute belastet. Und er hat sich der Frage gestellt, ob ein Mensch mit solchen Erfahrungen überhaupt verzeihen kann.