17. April 2023

Klaus Gauger

Psychiatrie-Patient, Autor, Aufklärer

In den Fängen des Wahnsinns

Plötzlich erkrankt an Schizophrenie – heute gesund

Bei Klaus Gauger sah alles nach einer guten Karriere, nach einem geordneten Leben aus. Der 1965 geborene Professorensohn aus Freiburg studierte ab 1985 Geschichte, Germanistik und Romanistik  und war mit Mitte  20 dabei, sich einen Namen als Journalist  zu machen. Dann geriet sein Leben aus den Fugen. Der Auslöser: Er und seine Freundin trennten sich nach sieben Jahren Beziehung . 1988 war das, er absolvierte damals als Stipendiat ein Eramus-Jahr in Madrid. Er rutschte in Depressionen, konnte nicht mehr klar denken, nicht mehr vernünftig arbeiten. Sein Zustand besserte sich nicht, auch nicht, als er nach Deutschland zurückkehrte. Bald zeigten sich paranoide Symptome: Im Verlauf seiner Krankheit, die zwanzig Jahre währen sollte, fühlte er sich zunehmend beobachtet und verfolgt, glaubte, dass andere Menschen seine Gedanken lesen konnten und sein Gehirn Teil eines weltweiten kybernetischen Netzes war, das die Gehirne der Menschen miteinander verband. Er war überzeugt, aus den Medien Botschaften zu empfangen, die eigens für ihn in Artikeln oder Sendungen eingebaut waren. Getrieben von der Überzeugung, er müsse ein geheimes, weltweites System entlarven, begab er sich schließlich ab 2012  auf eine lebensgefährliche Odyssee, die ihn durch Europa und Amerika, Kanada und Japan führte. Er hatte Glück, denn 2014 landete er auf dieser Reise eher zufällig bei einem Psychiater in Nordspanien, der den Zugang zu dem sich in völlig desolaten Zustand befindlichen Mann fand. Er bekam Medikamente, die ihn endlich vollständig aus dem Wahn holten. Klaus Gauger konnte nun rückblickend erkennen, dass er zwanzig Jahre lang manchmal schleichend, manchmal akut krank gewesen war.  Inzwischen lebt Klaus Gauger seit acht  Jahren symptomfrei und ist zufrieden mit seiner Lebensqualität. Es ist ihm ein Anliegen, über diese Erkrankung aufzuklären. Gauger hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Meine Schizophrenie“ (2018 im Herder-Verlag erschienen und mittlerweile in der zweiten Auflage mit einem Vorwort von Manfred Lütz erhältlich). Er ist Gastredner auf Tagungen wie dem alljährlichen Psychiatriekongress der deutschen Psychiater in Berlin. .Der Ausbruch einer Schizophrenie ist vergleichbar mit dem Ausbruch anderer Stoffwechselerkrankungen, die komplex – aber behandelbar sind. Er will erreichen, dass das Stigma, das dieser Erkrankung anhaftet, endlich verringert wird . Etwa ein Prozent der Menschen weltweit erkrankt im Laufe des Lebens an Schizophrenie – eine riesige Anzahl. Doch Betroffene und deren Angehörigen vermeiden es, darüber zu sprechen. Sie schämen sich, sie haben Angst vor den Vorurteilen. Zum Beispiel, dass Menschen mit Schizophrenie zwei Persönlichkeiten in sich haben oder dass sie immer gewaltbereit und gefährlich sind. Tatsächlich leben ungefähr 800.000 an Schizophrenie erkrankte Menschen in Deutschland, die meist friedlich und nicht selten auch beruflich und sozial voll integriert sind. Heute ist er als Genesungshelfer am Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen tätig. Am 17. April hat Klaus Gauger mit Moderatorin Nina Poelchau darüber gesprochen, was ihm auf seiner Berg- und Talfahrt durchs Leben geholfen hat und was ihn beinahe vollkommen zerstört, aber schließlich auch gerettet hat. Er hat auch darüber berichtet, wie wichtig die Unterstützung und Solidarität von Angehörigen und Freunden für ihn war – auch dann, wenn er größenwahnsinnig, ablehnend und kaum noch erreichbar schien. Klaus Gauger hat die Erfahrung gemacht: „Die Menschen im Umfeld können so viel tun, um das Leiden zu lindern. Auch ich wäre heute nicht so gut dran, wenn meine Familie und auch ein Teil meiner Freunde nicht konstant an meiner Seite geblieben wären.“